Am Rand von Köln ist ein neuer Stadtteil für 6900 Menschen geplant. Mit Kreuzfeld soll die Idee der Neuen Stadt Chorweiler auf der grünen Wiese fortgeschrieben werden. Das Siegerkonzept eines wettbewerblichen Dialogs versucht den Flächenfraß zu minimieren.
Von Uta Winterhager
Köln wächst und der Druck ist anhaltend groß. So groß, dass Nachverdichtung und Konversionen nicht ausreichend Entlastung auf dem Wohnungsmarkt schaffen können. Also erinnerte man sich im Stadtplanungsamt an die Planungen für die Neue Stadt Chorweiler aus den 1960er Jahren. Realisiert wurden dort zunächst nur die zentralen Bereiche, Großwohnsiedlungen mit günstigem Wohnraum, die bald in Verruf gerieten. Der nördlich anschließende Stadtteil Blumenberg zeigte als Reaktion darauf mit Reihenhäusern und maximal viergeschossigem Wohnungsbau in den 80er Jahren ein deutliches Umdenken der Stadtplanung. Der dortige S-Bahnhof dachte Kreuzfeld bereits mit, der Ausstieg im Westen führt allerdings auf einen Acker.
Genau diese Situation stellt heute, 40 Jahre später mit dem Wissen um die Ursachen des Klimawandels andere Bedingungen. Denn möchte man mit dieser 80 Hektar großen Fläche den Abschluss der Neuen Stadt Chorweiler bilden und dringend benötigten Wohnraum schaffen, muss die Stadt die richtigen Mittel finden, um den grundsätzlich doch unerwünschten da klimaschädlichen Flächenfraß zu begründen. Der Griff in die Schublade mit den alten Planungen gibt eine gewisse Legitimation, doch die Anforderungen an die Konzeption und Umsetzung sind enorm, formuliert wurden sie zum Teil bereits in der Stadtstrategie KölnerPerspektiven 2030+.
Der unter reger Beteiligung der Öffentlichkeit durchgeführte Prozess zur Erarbeitung des Leitbilds „Kreuzfeld – Ein gutes Stück Köln“ wurde bereits 2019 abgeschlossen. Im Kern geht es darum, den neuen Stadtteil „nachhaltig zu vernetzen, für Gesundheit zu sorgen und Bildung zu fördern“. Damit dieses Leitbild in einen Städtebau übertragen werden kann, wurde 2020 ein wettbewerblicher Dialog mit sechs Planungsteams durchgeführt, von denen drei zur Vertiefungsphase eingeladen worden waren:
The Woodhood – Kreuzfeld Gartenstadt 2.0
Planungsteam: Adept (Kopenhagen) mit Karres en Brands, Landschapsarchitecten (Hilversum), Argus Stadt und Verkehr (Hamburg) und Metabolic (Amsterdam)
Kreuzfelder StadtNatur
Planungsteam: KCAP (Zürich) mit Realace (Berlin), Ramboll Deutschland – Ramboll Studio Dreiseitl (Überlingen), Fugmann Janotta und Partner (Berlin) und Happold Ingenieurbüro (Berlin)
4 Quartiere - ein Veedel
Planungsteam: rheinflügel severin (Düsseldorf) mit Studio Vulkan Landschaftsarchitektur (München), Rietmann Beratende Ingenieure (Königswinter), Obermeyer Infrastruktur (Köln) und EGS-plan Ingenieurgesellschaft für Energie-, Gebäude- und Solartechnik (Stuttgart)
Nach seiner Sitzung am 11. + 12. Dezember 2021 empfahl das Begleitgremium unter Vorsitz von Markus Neppl vom Büro Astoc mit großer Überzeugung den Entwurf „The Woodhood – Kreuzfeld Gartenstadt 2.0“ vom Team um Adept weiterzuverfolgen. Von ihnen stammt übrigens auch der Masterplan für Hamburg-Oberbillwerder.
Für Köln setzt das dänisch-niederländisch-deutsche Team fünf sogenannte Hoods in die Landschaft des Planungsgebiets, das im Osten an Blumenberg anschließt. Die organisch geformten Quartiersinseln mit einem grünen Zellkern schließen sie zu einem sozialen und ökologischen System zusammen. Die Wiesen, Äcker und Wälder des Umlands scheinen in den neuen Stadtteil hineinzufließen und die Hoods untereinander mit gestalteter und produktiver Natur zu verbinden. Anknüpfend an bestehende Strukturen in Blumenberg läuft die Entwicklung von Höhe, Dichte und Körnung von Ost nach West aus, wo Kreuzfeld keine harte Kante haben soll.
Dieser Verlauf prägt auch den Charakter der Hoods, die entsprechend ihrer Lage als urban, gemischt oder natur, mit klassischen oder innovativen Gebäudetypen entwickelt werden. Pläne und Visualisierungen zeichnen ein sehr grünes Bild dieses neuen Stadtteils, den die Verfasser als gesunde und nachhaltig Alternative zwischen Land und Stadt verorten. Sie bieten dort vielfältigen Wohnraum für bis zu 6.900 Menschen in 3.000 Wohneinheiten und bleiben damit unter der ursprünglich kommunizierten Zahl von 3.500.
Auch die Pro-Kopf-Wohnfläche ist mit Blick auf die Schonung knapper Ressourcen deutlich niedriger angesetzt als der heutige Standard. Mit dem Ziel kurzer Wege und verbindlicher Nachbarschaften soll jede Hood neben Kitas, Gemeinschaftshäusern und Schulen im Kern auch Einzelhandel und Orte für Sport und Bewegung bieten. Viel Raum für Grün gewinnt das Konzept durch Konsequenz im Verkehr, angeschlossen an die hier unterirdisch fahrende S-Bahn ist die Innenstadt schnell erreichbar. Durch das Quartier wird der Woodloop3 führen, eine Ringstraße allein für Busse, Fahrräder und fußläufigen Verkehr. Private Fahrzeuge sollen in dezentralen Mobilitätshubs geparkt werden, die Hoods autofrei sein.
Ein so konsequent neu gedachter Stadtteil wie der vom Team Adept / Karres en Brands wäre in innerstädtischer Lage nicht denkbar. Das ist seine große Chance und neben den geschlossenen Wasser-, Energie-, und Materialkreisläufen eine mögliche Existenzberechtigung. Vorteilhaft für das Gelingen von Kreuzfeld ist, dass 80 Prozent der Flächen im Besitz der Stadt sind. Nun gilt es, mit der Intergrierten Planung auch eine Umsetzungsform zu finden, die rigoros auf die Einhaltung der Ziele besteht und keine Erosion des Konzeptes zulässt. Nur mit der Bereitschaft beim Planen, Bauen und Nutzen Neues zu wagen und die Entwicklung nicht allein dem Markt zu überlassen, kann der 87. Stadtteil für Köln mehr werden als einfach wieder nur Häuser auf einem Acker.
Zum Thema:
Weitere Informationen zum Verfahren: www.stadt-koeln.de
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STPH | 17.12.2021 15:35 Uhr...
Interessant die geplante Unordnung, die aber eine fein austarierte Gegensätzlichkeit ist, also auch wieder ein Bild von Gesellschaft, eine große Sozialplastik. Es lebe der -verordnete- Unterschied.