Wie eine große Blüte wirkt die gefaltete Holzstruktur zwischen den Baumkronen in den Londoner Kensington Gardens. Darunter bittet Lina Ghotmeh, die, wie heute bekannt gegeben wurde, den Serpentine Pavilion 2023 gestalten wird, buchstäblich zu Tisch. Ein großer ringförmiger Tisch soll – dem Titel „À table“ entsprechend – eine Einladung zu Dialog und gemeinsamen Verweilen bieten. Inspiriert wurde die libanesische Architektin dabei von kollektiven Bräuchen wie den Toguna-Hütten in Mali, in denen die Mitglieder der dortigen Communities zusammenkommen, um gemeinsam zu essen, zu arbeiten, zu spielen oder Entscheidungen zu treffen.
Starke Bezüge zur Geschichte und erzählerische Elemente gehören zu den Markenzeichen von Ghotmehs architektonischer Arbeit, wie auch die Jury bei ihrer Auszeichnung mit dem Schelling-Architekturpreis hervorhob. Zu den bisher bekanntesten Werken der jungen Architektin, die auch in der Lehre aktiv ist, zählt das Projekt Stone Garden in ihrer Heimatstadt Beirut.
Der weite Innenraum ihres Pavillons für die Serpentine Gallery wird geprägt von einer Rippendecke, deren schlanke Träger radial auf einen ebenfalls blütenförmigen Okulus zulaufen. Transluzente Glaswände lassen den Park durch eine umlaufende Kolonnade hindurchscheinen. Um den Ressourcenaufwand des temporären Baus zu begrenzen, werde kohlenstoffarmes Recyclingglas und Furnierschichtholz verwendet, so die Architektin. Zudem sei er aufgrund unkomplizierter Schraubverbindungen einfach zu demontieren, um ihn an einem anderen Ort wieder aufzubauen.
Mit seiner zentrierten Form erinnert der Pavillon auch an einige der Strukturen aus den Vorjahren wie das kapellenähnliche Folly von Theaster Gates oder das invertierte, kräftig blaue Dach von Francis Kéré. Zur Tradition ist mittlerweile geworden, dass der Entwurf des Serpentine Pavilion nicht mehr als Plattform für ohnehin schon große Namen dient, sondern seit einigen Jahren eher junge Architekt*innen – wie Frida Escobedo 2018 oder Counterspace 2021 – den Auftrag zugeschrieben bekommen. Nach der Eröffnung im Juni 2023 wird der Serpentine Pavilion wieder zur Bühne des alljährlichen Sommerprogramms der Galerie. Finanziert wird das Projekt wie auch in den vergangenen Jahren von der Investmentbank Goldman Sachs. (mh)
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