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08.05.2017

Nette Leute, monumentale Setzung

Pläne für Obama-Bibliothek in Chicago


Jeder Präsident der Vereinigten Staaten lässt nach seiner Amtszeit bekanntlich eine Bibliothek errichten. John F. Kennedy verewigte die Dokumente seiner Amtszeit in Boston, Ronald Reagan baute im kalifornischen Simi Valley, die Stiftung, Museum und Bibliothek von George W. Bush sitzen in Dallas. Diese Praxis hat in der Vergangenheit allerdings nur selten architektonische Schmuckstücke hervorgebracht. Mit Barack Obama soll sich dies ändern, jedenfalls zierten seine Shortlist bekannte Namen wie David Adjaye, Diller Scofidio + Renfro oder Renzo Piano. Bewusst hatte sich Obama aber im letzten Sommer für etwas mehr Bodenständigkeit entschieden und das sympathische „husband and wife team“ Tod Williams und Billie Tsien aus New York beauftragt.

Deren Entwurf für den Standort in Chicagos Southside liegt nun vor, und angesichts der offiziellen Rhetorik, mit der vor allem der Wert des Projekts für die Community hervorgehoben wird, darf man mit Blick auf die Architektur zunächst mal ruhig etwas verwundert sein. Einen monumentalen Brocken haben die beiden nämlich für die ufernahe Parklandschaft von Frederick Law Olmsted und Calvert Vaux entworfen, was städtebaulich eher in der Tradition der meisten bisherigen Bibliotheken steht – was aber leider auch etwas abweisend wirkt. Williams und Tsien werden bei dem Projekt mit der Architektin Dina Griffin zusammenarbeiten, die wie Michelle Obama aus Chicago stammt. Der Park entstand ursprünglich als Gelände für die Weltausstellung 1893, wovon heute noch das nahegelegene Museum of Science and Industry zeugt.

Für die Obamas ist das Projekt aber auch jenseits seiner Architektur eine Gradwanderung, denn bei aller Begeisterung gibt es in der nicht gerade wohlhabenden South Side durchaus auch die Angst, dass mit der Bibliothek eine Aufwertungsspirale in Gang gesetzt wird. Bei der Präsentation des Projekts, das ein Budget von bis zu 500 Millionen Dollar umfassen könnte, stand denn auch primär der Mehrwert der Institution für die Nachbarschaft im Mittelpunkt. Das Programm versteht sich als ungewöhnliche Mischung aus Archiv, Community Centre und Bildungseinrichtung und richtet sich damit explizit an eine allgemeine und vor allem alltägliche Öffentlichkeit.

Das fast schon tempelartig anmutende Volumen, das nun das Rendering ziert, ist darum auch nur ein Teilaspekt des Projekts und in gewisser Weise sogar eine Art architektonisches Ablenkungsmanöver. Denn einen großen Teil des Programms verstecken die Architekten unter begrünten Dächern, die unmittelbar in den Park übergehen. Ein wichtiges Element ist dabei ein künstlicher Hügel, den sich laut New York Times Michelle Obama gewünscht hatte: Nirgendwo in der South Side habe man in ihrer Kindheit nämlich Schlitten fahren können. (sb)


Zum Thema:

www.obama.org


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