Er ist eigentlich der Meister einer Baukunst, die in den Stadtraum schwingt. Nun aber hat er eine Architektur geschaffen, die nach innen klingt. Frank Gehrys Boulez-Saal versteckt sich in dem ehemaligen Magazingebäude der Staatsoper Berlin. Von Richard Paulicks sachlich-reduziertem Klassizismus aus den Fünfzigern verhüllt, ist außen nicht sichtbar, wie sehr Gehry das Gebäude innen mit schwebenden Tribünen, Wellen schlagenden Balkonen und aufgefächerten Dachsegeln in Schwingungen versetzt. Der Boulez-Saal – sein Name ist eine Hommage an den 2016 verstorbenen Avantgarde-Komponisten Pierre Boulez – soll einer der besten Kammermusiksäle weltweit werden. So will es die treibende Kraft hinter dem Projekt, der Generalmusikdirektor der Staatsoper Daniel Barenboim. An diesem Samstag, den 4. März 2017, wird der Saal mit einem großen Konzert eröffnet.
Nachdem der ovale Konzertsaal zu ausgewählten Anlässen bereits zugänglich gemacht wurde, kann sich fortan die gesamte Öffentlichkeit dieses gelungenen Kontrasts vergewissern, den Gehry mit seinem expressiven Innenraum in dem zurückhaltenden Rahmengebäude geschaffen hat. Die Konzertsaison 2017 beginnt mit einer Fülle an unterschiedlichen Stilen, Genres, mit geladenen Gästen aus den verschiedensten Ländern, ganz im Sinne von Boulez, der einmal gesagt haben soll, dass „wir unsere Horizonte erweitern“ müssen, um „neue und unbekannte Welten einzubeziehen“. Bei dem variationsreichen Auftaktprogramm kann gleich die Wandlungsfähigkeit des Innenausbaus erprobt werden: Der 850 Quadratmeter große Saal ist modular konzipiert und kann in wechselnden Konfigurationen und mit mobilen Sitzreihen verschiedene Gestalten annehmen. Die Akustik stammt von Yasuhisa Toyota, ein Meister seines Métiers, der daher auch Dr. Sound genannt wird.
Beide, Gehry und Toyota, haben den Boulez-Saal der Stadt Berlin quasi geschenkt: Ohne Honorar haben sie ihn in Gemeinschaftsarbeit entworfen, konzipiert und realisiert. Mit ihrem Einsatz bereichern sie nicht nur die Architektur in der Hauptstadt, sondern vor allem die Barenboim-Said-Akademie, welche in dem Magazingebäude ihren Sitz hat. Schon seit September studieren in dem Bau, den HG Merz und rw+ zu einer Musikhochschule mit Industriecharakter umwandelten, junge Musikerinnen aus Konfliktgebieten im Nahen Osten, so wie es die Programmatik der Akademie vorsieht. Wenn auch versteckt und nicht sofort ersichtlich, der Boulez-Saal ist ein Geschenk – politisch, musikalisch und architektonisch. (sj)
Fotos: Volker Kreidler
In der aktuellen Bauwelt 4.2017 stellt Doris Kleilein die Barenboim-Said-Akademie mit einer ausführlichen Begehung des Pierre Boulez-Saals und des gesamten Umbaus von HG Merz und rw+ vor
Zum Thema:
barenboim-said.com
www.boulezsaal.de
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Johann Maier | 06.03.2017 16:35 UhrIm Auge des Betrachters
Ohne diesen extremen Weitwinkel - sprich: in echt - sieht der Saal ein "bisschen" weniger spektakulär aus.