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15.04.2014
Demokratie statt Luxus
Philosophicum in Frankfurt wird umgebaut
Es ist wohl eine überraschende Ausnahme im Strom heutiger Gentrifizierungstendenzen: Das denkmalgeschützte, jedoch äußerst verfallene Philosophicumgebäude in Frankfurt am Main, ein Beispiel der funktionalistischen Bauweise per se, soll dank der Bürgerinitiative Projektgruppe Philosophicum nun erschwinglichen Wohnraum statt Luxuswohnungen bieten. Die größte Frankfurter Wohnungsbaugesellschaft AGB sicherte der Projektgruppe den Kauf des Gebäudes für 6,1 Millionen Euro zu. Als Voraussetzung sieht die AGB die Finanzierungsgarantie einer Bank vor: bis zum 30. Juni diesen Jahres.
Das Philosophicum steht für die Geschichte des funktionalistischen, rationalen Bauens. Entworfen wurde das Seminargebäude 1959 von Ferdinand Kramer, der zu dieser Zeit die Leitung des Bauamtes der Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt am Main innehatte. Der Meister der sparsamen Formen, der eine rationale Architektursprache einer sinnfreier Verschönerung vorzog, hat nicht nur durch seine architektonischen Werke Anerkennung erlangt. Kramers Leitlinien und Denkweisen sind in vielfachen Möbel-, Schrift- und Ausstattungsentwürfen wiederzufinden, die gerade unter dem Titel „Das Prinzip Kramer“ im Frankfurter Museum für Angewandte Kunst ausgestellt sind.
Gemeinsam mit seinen jungen Kollegen Walther Dunkl, Klaus Peter Heinrici und Helmut Alder entwickelte Kramer etappenweise unterschiedliche Gebäudestrukturen am Campus der Goethe-Universität. Ein Fachgutachten der 1980er Jahre erfasst Kramers Prinzipien mit diesen Worten: „Diese Bauten vertreten einheitlich die Haltung der Neuen Sachlichkeit und knüpfen damit an die Tradition der zwanziger Jahre an (...) Bei aller Einfachheit sind sie hervorragende Beispiele des Bauens dieser Zeit.“ Das Besondere am Entwurf des Philosophicums lag im Vorschlag eines nach außen offen liegenden Stahlskelettbaus, der eine zügige Errichtung erlaubte.
Jahrzehnte später befanden sich die Universitätsbauten, so auch das Philosophicum, in einem kläglichen Zustand, obschon sie zu Denkmälern erklärt worden waren. Vernachlässigung im Wechsel mit teilweisen Gebäudeabrissen schienen sich am ehemaligen Campus zu manifestieren bis Investoren aufmerksam wurden: Für das verkommene Philosophicum war bis vor kurzem eine Sanierung zum Luxusobjekt mit Eigentumswohnungen vorgesehen.
Die Initiative Projektgruppe Philosophicum erwirkte in Zusammenarbeit mit dem Mietshäuser Syndikat eine scharfe Umkehr der Planungen und sorgte somit auch für die Erhaltung von Kramers Idealen. Der Zusammenschluss von etwa 130 Menschen setzt sich zum Ziel im neungeschossigen Gebäude mit über 7000 Quadratmeter Fläche solidarisch und selbstbestimmt zu wohnen. Als Maßnahmen sehen sie vor, „zur Deckung von Brandschutzbestimmungen (…) die Stahlstützten mit einem aufschäumenden F90 Anstrich zu versehen. Das Wärmeschutzkonzept sieht eine Innendämmung der Stirnseiten des Gebäudes vor, um die entwurfs- spezifischen Sichtbetonflächen und die vorhandene Fluchttreppenkonstruktion ungestört erhalten zu können." Die Vorstudie von KuP Architekten visualisiert zudem die Vorstellung über die neue Wohnnutzung.
Der Bürgerinitiative kommt das vorausschauende Denken Kramers und seines Teams entgegen – plante er doch die Gebäudegrundrisse mittels stützenfreier Funktionsflächen flexibel. Erschwingliche Wohnungen, unterschiedliche soziale und kulturelle Einrichtungen, Orte der Begegnung soll es hier geben, ganz im ursprünglichen Sinn der demokratischen Teilhabe aller Nutzer an Denk- und nun hoffentlich bald auch Wohnprozessen. (pg)
Zum Thema:
Mehr über die Bürgerinitiative: philosophicum.org
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Vorstudie Philosophicum von KuP Architekten
Philosophicum in den 1960er Jahren
Philosophicum in den 1960er Jahren
Philosophicum in den 1960er Jahren
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