Der Genius Loci, vielbeschworener und leider oftmals verfehlter Topos der Architektur, war Thema der 13. Ausgabe des
Philippe Rotthier European Prize for Architecture. Seit 1982 kürt der vom belgischen Architekten Rotthier ins Leben gerufene Preis alle drei Jahre Werke von kollektivem und kulturellem Wert, die regional verwurzelt und mit natürlichen und nachhaltigen Materialien ausgeführt sind – und insbesondere in diesem Jahr durch Gebautes die jeweilige Umwelt aufwerten, ohne dabei den Geist des Ortes zu beeinträchtigen. Unter Vorsitz von
Maurice Culot wählte die internationale Jury aus einhundert Einsendungen das Projekt
Anandaloy in Rudrapur, Bangladesch, von
Studio Anna Heringer (Laufen) zum Gewinner des diesjährigen
Grand Prize Philippe Rotthier.
Anandaloy widmet sich und schafft Sichtbarkeit für Menschen mit Behinderung in Bangladesch. In ihm bündelt sich die Erfahrung aller fünf bisher durch Studio Anna Heringer in Rudrapur realisierten Bauten – darunter eine Schule und ein Ausbildungszentrum für Elektroberufe. Der inklusive Bauprozess des aus Bambus und Lehm errichteten Gebäudes wurde vor Ort gesteuert. Zusätzlich zur Funktion als Therapiezentrum für Menschen mit Behinderung findet hier auch
Dpidii einen Platz, ein ebenfalls von Anna Heringer initiiertes Projekt zur fairen Herstellung von Textilien und zur Förderung eines alternativen „Made in Bangladesh“.
Das Gebäude zelebriere die menschliche Vielfalt und strahle Schönheit aus, so das Fazit der Jury. Das begleitende Textil- und Bekleidungsproduktionsprogramm biete zudem Frauen die Möglichkeit, bei ihren Familien zu bleiben und zum Familieneinkommen beizutragen. Die große Rampe vom Erdgeschoss ins erste Obergeschoss zeuge vom Engagement der gesamten Gemeinde für dieses inklusive Projekt, das mit 20.000 Euro honoriert wird.
Die Auszeichnung für die „Rekonstruktion und Aufwertung des lokalen Erbes“ in Höhe von 15.000 Euro geht an das spanischen Kollektiv
Terrachidia für sein Engagement bei der Wiederbelebung der M’Hamid-Oase in Zagora, Südmarokko. Das Gremium lobte das langfristig gedachte Ziel, Wissen und Praxis der traditionellen Architektur vor Ort zu fördern, die starke soziale Wirkung des Projektes und sieht in der Herangehensweise eine echte Chance zur Entwicklung für die Anwohner.
Für seine bewusstseinsfördernden Verdienste in Belangen des Denkmalschutzes wird dem französischen Schriftsteller und Journalist
Stéphane Bern der
Special Jury Prize verliehen. Weitere Anerkennungen gehen unter anderem an die
Kapelle Krumbach von
Bernardo Bader (Dornbirn),
Xaveer De Geyter Architects (Brüssel) für ihren
Schulbau in Gent und
Buzzo Spinelli mit
Antoine Dufour (beide Paris) für das
Momentum im korsischen Bastia. Die Preisverleihung findet am 23. Oktober 2021 im CIVA in Brüssel statt.
(kms)