Einen Neubau in unmittelbarer Nachbarschaft zu einer Kirche von Gottfried Böhm zu entwerfen, verlangt Fingerspitzengefühl. Mit einer solch städtebaulich herausfordernden Bauaufgabe sahen sich kbg architekten (Oldenburg) konfrontiert: Für die katholische Kirchgemeinde St. Marien in Oldenburg projektierte das Büro ein Pfarrheim neben Böhms an eine alttestamentarische Tempelanlage angelehnten Sakralbau St. Christophorus aus den späten 1950er Jahren. Vorausgegangen war ein Wettbewerbsgewinn im Jahr 2018. Die Freiraumgestaltung wurde von Horeis + Blatt Landschaftsarchitekten (Bremen/Verden) übernommen.
Das Christophorus-Haus sollte „eine angemessene Eigenständigkeit entwickeln, dabei jedoch keinesfalls in Konkurrenz zu Böhms Bauwerk treten“, heißt es in der Projektbeschreibung. Zudem ist ihm eine Vermittlerrolle zugedacht, denn es liegt am Übergang zum ehemaligem Fliegerhorst-Gelände, auf dem nun ein neues Wohnviertel entsteht. Zusammen mit dem geometrischen Kirchenbauwerk, einer Bestandskita und einem zeitgleich realisierten Kitaneubau bildet das Pfarrheim einen großzügigen Platz aus, der als öffentlicher Freiraum das Areal der Kirchgemeinde in das Quartier einbetten soll.
Das in Massivbauweise mit mineralischer Dämmung und Verblendmauerwerk geplante Haus schafft an der nordwestlichen Ecke des Gemeindegrundstücks eine klare Raumkante und orientiert sich mit ansteigendem Dach in Richtung Platz und Kirche. Durch das Anheben der Trauflinie an der abgewinkelten Frontfassade entsteht ein Hochpunkt, der in Kombination mit einem Rücksprung im Erdgeschoss den Haupteingang markiert. Dieser führt in ein sich über zwei Geschosse öffnendes Foyer, den zentralen Kommunikations- und Erschließungsraum des Gemeindezentrums. Der im Erdgeschoss anschließende, großflächig verglaste Saal kann mittels mobiler Trennwände unterteilt werden, im Obergeschoss befinden sich Gruppenräume und eine Bibliothek.
Die Gebäudehülle aus Backstein nimmt farblich das rote Mauerwerk der Böhm-Kirche auf, wurde jedoch bewusst heller angelegt, um die Eigenständigkeit des neuen Baukörpers zu unterstreichen. In enger Zusammenarbeit mit der Klinkermanufaktur Deppe Backstein, die das Baumaterial produzierte, wurde mit zahlreichen Farbnuancen experimentiert, bis der richtige Ton getroffen war. Das abwechslungsreiche Fassadenbild aus Lochmauerwerk, geschlossenen Flächen und großen Fenstern soll wiederum mit seiner zeitgenössischen Ästhetik ein modernes Verständnis von Kirche und Religion signalisieren. (da)
Fotos: Meike Hansen/archimage
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auch ein | 25.11.2021 09:25 UhrPeter
wieder ein herausragender Kommentar von einem der großen fünf Foristen hier, die es einfach verstanden haben.