„Rettet das Café Seeterrassen!“ fordert eine kürzlich gestartete Petition, die den Abriss des beliebten Lokals in Hamburg verhindern will. Der zweistöckige Pavillon war zur Internationen Gartenbauausstellung 1953 durch Ferdinand Streb (1907–70) errichtet worden. Ein L-förmiger Bau mit großen Glasfronten, umlaufendem Balkon, geschwungenen Treppen, auskragendem Flachdach und heller Steinverkleidung – ein „Schmuckstück der Nachkriegsmoderne“, wie der Initiator der Petition Claas Gefroi schreibt.
Der gebürtige Oberpfälzer Streb arbeitete 1933–35 in Paris bei Le Corbusier und kam nach dem Krieg nach Hamburg. Hier plante er unter anderem den berühmten Alsterpavillon und das Springer Verlagshaus, zuvor war er am Bau der wegweisenden Grindelhochhäuser beteiligt gewesen. Für die Gartenschau entwarf er einen dezenten Bau direkt am See in Hamburgs Innenstadtpark Planten un Blomen. Der Pavillon ersetzte eine im Nationalsozialismus errichtete „Bauernschänke“, die im Krieg zerstört worden war. Das Café stehe somit in besonderer Weise für den gestalterischen und gesellschaftlichen Neuanfang der Bundesrepublik im Geiste von Demokratie, Internationalität und Modernität, so Architekturkritiker Gefroi.
Seit einiger Zeit schon ist das Café geschlossen. Der Pachtvertrag, der Ende des Jahres ausgelaufen wäre, wurde vorzeitig beendet. Es gäbe Mängel in der Bausubstanz, so ein Gutachten des Bezirks Hamburg-Mitte: Stahlträger seien korrodiert, Wände rissig und im Keller Schimmel. Eine Sanierung des alten Pavillons sei somit nicht wirtschaftlich. Deshalb haben der Bezirk und die Hamburger Messe, Eigentümerin des Gebäudes, den Abriss beschlossen. Einziger Haken der ganzen Sache: Eine Recherche des Hamburger Abendblattes ergab, dass ein solches Gutachten gar nicht existiert!
Nach dem Willen der Eigentümerin soll es noch in diesem Jahr einen Architekturwettbewerb für den Neubau geben – geplant ist eine Eventlocation der Messe sowie ein öffentliches Café – und der Abriss Anfang 2021 beginnen. Denkmalschutz besteht nicht. Tatsächlich war das Café als temporärer Bau für die Gartenschau errichtet worden, mit einer geplanten Nutzungsdauer von zehn Jahren. „Ein Abriss würde einen schweren und irreparablen Schaden für den Park der Internationalen Gartenbauausstellung 1953 bedeuten, einem heute einzigartigen und zu Recht unter Denkmalschutz stehendem Dokument der Verknüpfung von Landschaftsplanung und Architektur in den 1950er Jahren“, beklagt Gefroi. Die Stadt solle endlich ein Zeichen für die Baukultur in Hamburg setzen, so der Architekturkritiker. Über 2.200 Personen haben die Petition bereits unterzeichnet. Sie läuft noch bis Anfang Oktober. (kat)
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Grischa | 13.08.2020 12:43 UhrTradition
Zugegeben: sich an dritt- oder viertklassige bauliche Artefakte ´ranzuhängen, wenn sie nur der Nachkriegsmoderne zuzurechnen sind, wird Tradition in Hamburg Stichwort City-Höfe. Diese Erhaltsinitiativen sind aber in jedem Fall unterstützenswert, da das verantwortungslose Abreißen und Neubauen endlich aufhören muss. Denn erstens wird es kaum je schöner. Vor allem aber wird es zweitens NIE NIE NIE ökologisch nachhaltiger oder sonstwie sozial und städtebaulich verträglicher, egal wie die Prosa, die den neu zusammengeklebten Mist schönzureden und zu verkaufen hat, immer durchtriebener das Gegenteil behauptet.