Oh, wie ist das schön! Das Stadion im Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark. Doch bekanntlich will das Land Berlin den DDR-Bau mit seiner markanten roten Tribüne abreißen lassen. Das drittgrößte Stadion Berlins soll einer neuen Arena weichen, die ein „Leuchtturmprojekt für Inklusion und Gleichberechtigung“ werden soll. So zumindest lautet das Motto, unter dem die verantwortlichen Senatsverwaltungen (für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen sowie diejenige für Inneres, Digitales und Sport) das Projekt seit Jahren argumentieren. Beinahe ebenso lang melden sich auch die kritischen Stimmen, allen voran die Bürgerinitiative Jahnsportpark, die den Abriss verhindern will.
Nun wurde eine Petition für den Erhalt des Jahn-Stadions lanciert. Gestartet hat sie Architekt Friedrich Tuczek. Er fordert den Berliner Senat auf, die Abrisspläne zu stoppen und stattdessen den Bestand zu sanieren. Eines seiner Argumente betrifft die finanzielle Lage. Jüngst wurden enorme Kostensteigerungen öffentlich. Nicht 97 Millionen Euro, wie noch 2019 vorgesehen, sondern 182 Millionen werden momentan veranschlagt. Angesichts der klammen Haushaltslage bestehe, laut Tuczek, das Risiko, dass dem Abriss in absehbarer Zeit kein Neubau folgen könnte. Rechnet man die derzeit geschätzten Kosten für alle geplanten Baumaßnahmen im gesamten Sportpark mit ein, liegt die Summe sogar bei über 300 Millionen Euro, schreibt der Tagesspiegel.
Eine Sanierung des Stadions würde der anvisierten, allumfassenden Barrierefreiheit entgegenstehen, heißt es von Seiten der Senatsverwaltungen. Dementsprechend erhielt im Ende 2022 entschiedenen Wettbewerb kein Beitrag, der einen kompletten Erhalt vorgeschlagen hätte, eine Auszeichnung. Tuczek hält eine Sanierung jedoch für möglich. Es sei die Aufgabe Berlins, ein solches Gebäude intelligent zu reparieren und anzupassen.
Zumal das Stadion als wichtiges Zeugnis der Ostmoderne gelten darf. Das große, ovale Erdstadion hatte Rudolf Ortner 1951 für die III. Weltjugendfestspiele angelegt. Mithilfe von Trümmerschutt modellierte er damals die umlaufenden Ränge. Erst zur 750-Jahr-Feier Berlins im Jahr 1987 kam der Tribünenbau hinzu, dessen Entwurf den beiden tschechischen Architekt*innen Fišarová und Ondrej zugeschrieben wird. Die Anlage repräsentiere in ihrer baulichen Gestalt „Anfang und Ende der DDR“, so Tuczek.
Das Stadion hat nicht nur architekturhistorische Bedeutung. Natürlich ist ihm auch Sportgeschichte eingeschrieben, die durch den Abriss ein Stück weit verloren gehen würde. Immerhin hat Uwe Hohn hier 1984 als erster und einziger Mensch die 100-Meter-Marke im Speerwurf geknackt. Am Sonntag, 18. August 2024 findet das vorerst letzte Fußballspiel statt. Regionalligist Viktoria Berlin tritt im DFB-Pokal gegen den Bundesligisten FC Augsburg an. Möglicherweise singen die Fans der Siegermannschaft dann nur noch „Oh, wie war das schön“ im Friedrich-Ludwig-Jahn-Stadion. Es sei denn, Tuczek und seine Mitstreiter*innen haben mit ihrer Petition Erfolg. Voraussichtlich kommende Woche wollen sie die Unterschriften dem Senat übergeben. (mh)
Zum Thema:
Die Bürgerinitiative Jahnsportpark hat den Planungsprozess auf ihrer Webseite jahnsportpark.de dokumentiert. Gestritten wird in Berlin aktuell auch über eine zweite große Sportanlage aus der späten DDR: das Sport- und Erholungszentrum SEZ in Friedrichshain.
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auch ein | 19.08.2024 10:38 Uhrarchitekt
@3:
haben Sie sich von Telegram hierher verirrt?