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02.10.2020
Isozaki in Berlin
Petition für Erhalt des Jugendzentrums von Neumann Grötzebach Plessow in Moabit
Momentan dreht sich die Berliner Diskussion um die Nachkriegsmoderne in erster Linie um den sogenannten Mäusebunker und das Hygieneinstitut in Steglitz, deren Zukunft ungewiss ist. Doch in Moabit wartet bereits der nächste Kandidat: das Jugendzentrum in der Rathenower Straße der Architektengemeinschaft Neumann Grötzebach Plessow NGP, ab 1968 entworfen und in den Jahren 1974–78 gebaut.
Der brutalistische Ziegelbau ist weitaus weniger bekannt als die Steglitzer Institutsbauten von Gerd und Magdalena Hänska beziehungsweise Hermann Fehling und Daniel Gogel. In den einschlägigen Übersichtswerken sucht man meist erfolglos nach dem Ensemble. Dabei ist es nicht nur in architektonischer und städtebaulicher Hinsicht bemerkenswert. Auch in sozialpolitischer Dimension ist das Areal am westlichen Rand des Fritz-Schloß-Parks interessant, denn hier wurden im sozialreformatorischen Geist der 1960er Jahre eine ganze Reihe sozialer Einrichtungen für Kinder und Jugendliche zusammengefasst: ein Freizeitheim, eine Kindertagesstätte, eine von Hasso Windeck entworfene Grundschule sowie das imposante Kinder- und Jugendwohnheim aus roten Ziegeln und Sichtbetonelementen, das nun zur Disposition steht.
Günter Plessow schreibt in seinen Erinnerungen von einem „Modellprojekt“ und „sozialpolitischem Experiment“, dem hier ein prominenter Ort eingeräumt wurde. Entwurflicher Bezugspunkt des Berliner Büros war laut Plessow die Arbeit des jungen Arata Isozaki, genauer: die Mädchenoberschule in Isozakis Heimatstadt Oita, die 1960–64 entstand. Verglichen mit dem radikalen japanischen Vorbild ist NGPs Berliner Projekt deutlich zurückhaltender. Im Berliner Kontext ist das Haus allerdings auch heute noch mehr als beeindruckend. Das Jugendzentrum ist zweigeteilt: Im eindrucksvoll aufragenden Gebäudeteil war ursprünglich ein Jugendwohnheim untergebracht; im langen, niedrigen Riegel war ein Kinderwohnheim. Dieses konzipierten die Architekten als Folge von Reihenhäusern mit direktem Gartenzugang auf Ebene des Parks.
Da der Park bedeutend höher als die Straße liegt, sitzt das Haus an einer Geländekante, was sich wiederum in seiner ungewöhnlichen städtebaulichen Setzung zur Rathenower Straße hin abzeichnet. NGP entschieden sich, hier eine grasbewachsene Rampe im Sinne einer „vorverlegten Parkkante“ aufzuschütten. Treppen führen nach oben, Fußgängerbrücken verbinden dann hinüber zu den Eingängen des ehemaligen Kinderwohnheims. Sie überspannen eine Zufahrtsstraße und die notwendigen Parkplätze. Das Ergebnis ist eine eigenwillige, durchaus nicht uninteressante Situation der Funktionstrennung, die man im Maßstab eines einzelnen Hauses und an diesem Ort so nicht erwartet.
Genau dieser flache Teil des Ensembles ist aktuell vom Abriss bedroht. Die kommunale Wohnungsbaugesellschaft WBM möchte hier Wohnbauten errichten. Durch eine geplante B-Plan-Änderung soll das Areal von einer Gemeinbedarfsfläche zu einem „urbanen Gebiet“ werden. Um diese Pläne zu verhindern und das Architekturensemble als Ganzes und als öffentlichen Ort sozialer Einrichtungen zu erhalten, wurde eine Petition gestartet. Getragen wird diese von der Initiative Wem gehört Berlin, die sich mit dem Abriss von Bestandsbauten und Eigentümerstrukturen kritisch auseinandersetzt und ihre Ergebnisse im Netz kartiert. (gh)
Fotos: Felix Torkar
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