Wettergeschützt zur Ruhe kommen und die gerahmte Aussicht genießen – das reichte dem Büro LIN Architecture aus Shanghai und seiner Auftraggeberin, der Gemeinde Jiangxinzhou Wutao, nicht. Inmitten des touristisch geprägten Gebietes der Yangtzedelta-Insel Jiangxin in der östlichen chinesischen Stadt Zhenjiang realisierten sie einen hölzernen Pavillon, der, wie die Architekt*innen schreiben, das Verhältnis von Nähe und Distanz auslote. Proxemik, also das Raumempfinden und -verhalten als Kommunikationsform, ist hier das Schlüsselwort.
Enge, Weite, Intimität, Privatheit und Öffentlichkeit soll der grün lasierte Holzbau reflektieren. Hierzu übertrugen die Gestalter*innen das Thema auch auf die Konstruktion: Aufgeständert auf Stelzen erheben sich zwei Wände lotrecht über dem mit Steinen aufgeschütteten Flussufer. Auf unterschiedlicher Höhe biegen sie sich einander entgegen. Die dem Ufer abgewandte Seite strebt steil in Richtung Fluss und bildet ein Dach, auf das die ufernahe Front nach einer Kurve rechtwinklig trifft. Fast alle Kanten sind als Fugen ausgebildet, Verbindungen erfolgen über Kanthölzer. Aussparungen und Abzweigungen der Flächen ergeben Fenster, Ablagen und Sitzmöglichkeiten.
Auch im Inneren „erwächst“ so aus einer Sitzbank eine Trennwand, die mit der Außenhülle einen schiefen, spitzbögigen Abschluss formt. Der dunkle Innenraum wird vom durch Schlitze, Öffnungen und Fugen einfallenden (und in der Dämmerung durch LED-Bänder erzeugten) Licht in Szene gesetzt, was an einigen Stellen gut gelingt. Insgesamt wirkt das kleine Bauwerk auf knapp 24 Quadratmetern jedoch mit zu viel Konzept überfrachtet und das Spiel mit Form und Abstand durch mitunter seltsame konstruktive Mittel erzwungen.
Der Wood Pavilion #1 ist aber entsprechend der Andeutung im Namen nur das erste von mehreren Raumexperimenten dieser Art, die LIN Architecture derzeit realisieren. Vielleicht hilft für die kommenden ein wenig Distanz? (kms)
Fotos: Songkai Liu
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