Da kommt plötzlich ganz viel Zukunft in die Gegenwart: Roboter verbinden an der Universität Stuttgart Kohlenstofffasern zu einem Garn, der wiederum nach dem Vorbild der Panzerflügel eines Käfers gewebt und um honigwabenförmige Strukturen gewickelt wird. Der englische Begriff Biomimikry erfasst perfekt, was bei der Architektur des soeben fertiggestellten Elytra Filament Pavilion im Londoner Victoria and Albert Museum passiert: ein Mimen der Natur mit Hilfe von Hochtechnologie.
Mehrere Jahre haben die experimentellen Architekten Achim Menges und Moritz Dörstelmann (beide Universität Stuttgart) gemeinsam mit den Ingenieuren Jan Knippers (Universität Stuttgart) und Thomas Auer (TU-München) an der Entwicklung der Fasern und des Gewebes gearbeitet, für das die besondere Panzerstruktur des Käfers Elytra Pate stand. In hexagonale Zellen verarbeitet, liefert diese Technologie eine leichtgewichtige Modularchitektur, die in variablen Größen und Raumformaten angewandt werden kann. Für die Kuratoren der Ausstellung „Engineering the World“ passt solch eine Innovation ins Konzept. Über die Dauer der Schau, vom 18. Mai bis zum 6. November, ist der Pavillon aus vierzig Waben-Modulen im historischen Innenhof des Londoner Kunstgewerbemuseums zu sehen.
Beim einmaligen Mimen der Biologie bleibt das vierköpfige Entwicklerteam jedoch nicht: Wie ein lebendiger Organismus wird sich die Architektur des Pavillons im Laufe der Ausstellungszeit verändern können. Anhand von anonymen Daten über die Besucher des Leichtbaus, können Module hinzugefügt oder abgebaut werden. Echtzeitsensoren detektieren Bewegung und Aufenthalt der Personen in dem Pavillon, woraus die Architekten wiederum mögliche Änderungen des Gebäudes entwickeln können. Bionik, Adaption und schlussendlich noch Überwachung – die drei Begriffe können auch Unbehagen hervorrufen, gemeint ist aber viel mehr: Innovation. (sj)
Fotos: © NAARO
Zum Thema:
www.vam.ac.uk/engineering-season