Was baut man in Stuttgart wohl an der Kreuzung von Mercedes- und Benzstraße? Richtig: ein großes, repräsentatives Parkhaus. Genau genommen steht das im letzten Jahr fertiggestellte Gebäude zwar eine Straße weiter, aber das Setting im Stadtentwicklungsgebiet Neckarpark im Ortsteil Bad Cannstatt dreht sich schon seit Jahrzehnten ganz klar ums Auto. Quer gegenüber dem neuen Parkhaus von asp Architekten (Stuttgart) findet man die Mercedes-Benz-Arena, hinter der wiederum das Mercedes-Benz-Werk Untertürkheim samt dem Museum von UNStudio liegen.
850 Wohneinheiten werden in dem 22 Hektar umfassenden Stadtentwicklungsgebiet Neckarpark neben dem bekannten Festgelände, dem Cannstatter Wasen, entstehen. Auf den Straßen soll es möglichst wenig Individualverkehr geben, doch ein programmatisch autofreies Wohnquartier ohne entsprechende Stellplätze schien dann doch zu viel des Guten. Tiefgaragen dürfen hier wiederum nicht ohne Weiteres gebaut werden, da der Neckarpark in einem Heilquellenschutzgebiet liegt.
Die naheliegende Lösung: ein zentrales Parkhaus mit gut 300 Stellplätzen (samt Fahrradabstellbereich mit -werkstatt im Erdgeschoss). Noch steht das Haus ziemlich einsam zwischen den leeren Baufeldern, auf denen schon bald Wohnhäuser errichtet werden sollen. Dass hier – statt etwa einer Kita oder Grundschule – ein Parkhaus als früher Infrastrukturbau den Auftakt der Quartiersplanungen markiert, liegt wiederum daran, dass das Parkhaus auch die dezentrale Energieversorgung des Quartiers beherbergt.
Die Anlagen der Energiezentrale liegen an der Südwestecke des Hauses im Unter- und Erdgeschoss. Hier befinden sich zwei Pufferspeicher, Wärmepumpen und Blockheizkraftwerke für den Antrieb der Wärmepumpen. Die Wärmeenergie wird über zwei Wärmetauscher aus einem großen Abwasserkanal in der Benzstraße gewonnen. Das Niedertemperatur-Wärmenetz (maximal 43 Grad Celsius) samt Hochtemperatur-Wärmenetz zur Nacherwärmung des Trinkwassers auf 75 Grad Celsius soll laut Angaben der Architekt*innen gegenüber konventioneller Energieversorgung perspektivisch etwa 1.650 Tonnen CO2-Emissionen im Jahr einsparen.
Das ist zweifelsfrei ein echter ökologischer Mehrwert. Zu diesem sollen auch die Rankgerüste mit Pflanztrögen an den drei offenen Fassaden beitragen, die aus dem Parkhaus einst einen rundum dicht begrünten Stadtbaustein machen sollen. Einen durchaus symbolisch lesbaren Vorgeschmack auf die grüne Zukunft bietet momentan die aus Sicht- und Schallschutzgründen geschlossene Nordfassade. Passenderweise sprechen übrigens auch die Architekt*innen selbst bei ihrem neuen Parkhaus von einer „Identität durch Widersprüche“.
Asp Architekten planten und realisierten das Projekt im Auftrag der Landeshauptstadt Stuttgart in den Leistungsphasen 1-9. Für das Tragwerk zeichneten Mayr | Ludescher | Partner verantwortlich, für die Fassadenbegrünung Koeber Landschaftsarchitektur (beide Stuttgart). Baubeginn war im Sommer 2019, Fertigstellung genau zwei Jahre später. Das 13.000 Quadratmeter Bruttogrundfläche umfassende Projekt kostete 13,5 Millionen Euro (Kostengruppen 300-400). (gh)
Fotos: Zooey Braun
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