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28.01.2025

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Weich wie Beton

Parkhaus in Bahrain von Christian Kerez


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Seit über zehn Jahren verfolgt der arabische Inselstaat Bahrain ein außergewöhnliches Kulturprojekt. Dessen Fokus liegt auf den Zeugnissen der Kultur der Perlenfischer, die vor dem Erdöl für den Wohlstand des kleinen Landes gesorgt hatten. Insbesondere in der Hauptstadt Muharraq ist davon noch einiges zu sehen. 2012 wurden 17 Stätten der Perlenfischerei in die Liste des UNESCO-Weltkulturerbes aufgenommen. Seitdem wurde in der Altstadt der „Pfad der Perlenfischer“ angelegt, der die sanierten historischen Gebäude und behutsam eingefügten Neubauten miteinander verbindet – darunter einige spektakuläre Gebäude wie das Besucherzentrum von Valerio Olgiati, das Haus der Musik der Perlenfischer von Office Kersten Geers David van Severen oder das Perlenmuseum von Anne Holtrop. Für die erwarteten Besucherströme plante man auch vier um die Altstadt verteilte Parkhäuser. Diese wurden von Christian Kerez (Zürich) entworfen. Das erste davon ist nun in Betrieb gegangen.

Das Team um Krerez entwickelte die Parkhäuser als flexibel nutzbare Strukturen, die nicht nur privaten Automobilen Raum bieten, sondern auch öffentliche Funktionen wie Gebete, Veranstaltungen oder Märkte aufnehmen können. Die Stockwerke sind dabei nicht getrennt, sondern gehen als geschwungene Ebenen fließend ineinander über. Wer mag, darf an OMAs legendären Bibliotheksentwurf für Jussieu von 1992 denken. Die Architekten: „Durch ihre geometrische Verwandlung von konkav zu konvex, von hoch zu niedrig, in Räume, die sich nach innen oder außen ausdehnen, schaffen die Platten ein unverwechselbares Raumerlebnis, wenn man das Parkhaus hinauf oder hinunter fährt.“ Die Verbindungen der Platten dienen auch der Aussteifung gegen Windlasten und Erdbeben. Die gesamte Statik haben die Architekt*innen gemeinsam mit Edge Consulting Engineering (Dubai) entwickelt.

In Betrieb genommen wurde jetzt das Parkhaus auf der „Parzelle B“, eines der größeren. Da es auf vier Seiten von relativ homogenen, niedrigen Häusern umgeben ist, hat auch die Betonstruktur eine „sehr regelmäßige“ Geometrie aus wenigen Platten und 25 bis 30 Zentimeter starken Rundstützen. Spannweiten von bis zu zehn Metern führen zu hohen Durchschlagskräften in den Platten. Für eine bessere Lastübertragung wurden die Stützen daher mit besonders massiven gebogenen Stahlblechen versehen. Bis auf verräterische Abdrücke hier und da sind diese im abgebundenen Ortbeton der Platten allerdings nicht erkennbar.

Keine Platte ist identisch, was eine Vielfalt an Räumen entstehen lässt. Auf den Fotos ist zu erahnen, dass auch der Bau selbst ein Experiment war. Die Schalung wurde mittels herkömmlicher Industrieprodukte wie Gerüsttürme, Drehsteifen und Holzelemente hergestellt. Nur ein kleiner Teil der Schalung musste individuell geformt werden. Für die fließend geformten Oberflächen fertigte Kerez' Team nach eigenen Angaben mittels Scripting rund 75.000 Schnittzeichnungen im Maßstab 1:20 an. Diese Schnitte wurden als 1:1-Vorlagen ausgedruckt, um die Schalungselemente vor Ort schneiden zu können. Nochmal die Architekt*innen: „Die auf Baustellen im Nahen Osten übliche große Anzahl von Arbeitskräften war auch hier notwendig, zusätzlich zu den heutigen Möglichkeiten der Informatik, um diese unendlich vielfältige Geometrie zu schaffen. Das Projekt war nur möglich, weil beides zusammengeführt wurde.“

Die Wendeltreppen und Aufzugsschächte sind offen, letztere wurden mit einer transparenten PVC-Folie überzogen. Insgesamt entsteht mit den vier Parkhäusern eine Gesamtfläche von 45.000 Quadratmetern. (fh)

Fotos: Maxime Delvaux


Zum Thema:

In der BauNetzWOCHE #640 „Bahrains Neue Perlen“ wird das Gesamtprojekt Pearling Path vorgestellt


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Kommentare
...geben nicht die Meinung der Redaktion wieder, sondern ausschließlich die ihrer jeweiligen Verfasserinnen und Verfasser.

12

Gilbert Blumenthaler | 29.01.2025 16:48 Uhr

Le Corbusier meets Borromini

Wunderbar!!!

Endlich einmal das Versprechen des fließenden Raums eingelöst! Entscheidend dabei... keine Umhüllung, nur der Stadtraum und der offene Himmel.

Brilliante Idee präzise verwandelt, da stört nichts Überflüssiges. Sprach nicht Corbusier vom kunstvollen Spiel der Baukörper unter dem Licht?

Natürlich ist das ein Co2 Monster, aber doch eigentlich ein Kleines ...und dafür mal ein Stück Architektur!!!

11

raser | 29.01.2025 15:21 Uhr

ok ok

Kerez Flucht aus der bedenkenträgerischen Schweiz trägt Früchte, danke Chrissie fürs In-Beton-Gießen der Mario Kart Regenbogenstrecke. Ich wünsche dem Entwurfsverfasser, dass er sich nicht die Hände an der Scharia verbrennt.

10

Spätkapitalismus | 29.01.2025 14:43 Uhr

Entwurf Parkhaus in Bahrain - Berliner Projekt

Sie hätten sich die Arbeitsbedingungen und die unbezahlten, brutalen Überstunden der Praktikanten anschauen sollen, die an diesem Projekt im Berliner Büro von Christian Kerez gearbeitet haben. Ob das dann immer noch als ein gelungenes Projekt gelten kann, ist mehr als fragwürdig.

9

peter | 29.01.2025 11:46 Uhr

bei den klimatischen...

...bedingungen vor ort wäre es vielleicht nicht schlecht gewesen, seitlich einen sonnenschutz anzubringen. aber geschenkt. wer sein auto da reinstellt, ist eh abgebrüht - bei den extremen steigungen auf den rampen, den nicht vorhandenen leitplanken usw. hat man ganz andere sorgen.

das gebäude ist antimodern. hier folgt nicht die form der funktion, sondern die funktion wird gezwungen, mehr schlecht als recht der form zu folgen. architektenarroganz in reinform.

8

auch ein | 29.01.2025 11:27 Uhr

architekt

da tut sich die mannschaft des nächsten james bond leichter, wenn sie autos dort runterknallen lassen will!
man spart sich das lästige abschrauben des anfahrtschutzes und muss nur die röhrchen bischen wegflexen.

aber eine coole kulisse

da bräuchts noch ein leitsystem-mikado und durchnummerierung vom büro übele in lily, dann wärs perfekt

7

Rge | 29.01.2025 11:00 Uhr

CO2 Hammer

Sehr cool!
Bauweise sollte jedoch längst überkommen sein, wenn wir nur ansatzweise eine weltweite, klimafreundliche und klimaneutrale Architektur nicht nur propagieren, sondern auch ausführen würden!
#Klimawandel#Ressourcenschonung#
Bewusstsein ändern, weniger Sensationsbewusstsein mittragen..

6

Olga Hurminsdottir | 29.01.2025 09:42 Uhr

Florida

Ich frage mich ob es nötig gewesen ist, das Ding auszuführen. Ein Modell davon hätte gereicht.
Ich finde das Projekt von H&deM in Florida, in allen belangen, viel stärker und sicher auch effizienter. Natürlich sind die Räume hier fliessender aber dass ist zu wenig Argument um diese Gebilde umzusetzen.

5

50667 | 29.01.2025 09:17 Uhr

Als Solitär betrachtet...


....ein sehr schönes Projekt...wer aber auch nur ansatzweise nachdenkend durch Leben geht würde ein solches Projekt in diesem städtebaulichen Kontext dennoch dankend ablehnen.........

4

Max Putzke | 29.01.2025 08:47 Uhr

Weltklasse

Ich bin immer wieder dankbar für die Bauherren, die den Mut haben so etwas umzusetzen und das Geld dazu in die Hand nehmen. Eine Parkpalette von Goldbeck hätte sicherlich nur ein Bruchteil gekostet. Etwas schade für das Wohnquartier, in Deutschland wäre an so einer Stelle eine Tiefgarage mit Büroimmobilie bzw. Wohnbebauung oben drüber entstanden...

3

romanesco | 28.01.2025 18:43 Uhr

Skaters Delight


Ein Vorhaben, das bei uns unmöglich wäre. Aus vielen guten wie schlechten Gründen, aber vor allem, weil es sofort als Skatepark in Besitz genommen werden würde. Eine in der Tat verführerische Vorstellung: Vom Topdeck bis zur Ausfahrtsrampe runterskaten und dann im runden Glaslift wieder rauf. Bis die Rollen qualmen. Davon abgesehen verbleibt man als zentraleuropäisch tätiger Architekt zwiegespalten zwischen Bewunderung der kompromisslos umgesetzten Entwurfsidee und Kopfschütteln über die Apotheose des fossilen Dinosauriertums.

2

Peter K | 28.01.2025 16:32 Uhr

Fliegende Teppiche

sehr cooles Projekt !!!

1

... | 28.01.2025 15:56 Uhr

ein...

...fossilistisches bauwerk für eine fossilistische vergesellschaftungsweise. insofern: normcore, schwungvoll vom stararchitekten in szene gesetzt.

 
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