Von Karin Leydecker
Die Vernichtung wertvoller Bausubstanz hat im badischen Karlsruhe traurige Tradition. Erst kürzlich fiel am historischen Marktplatz ein signifikantes Gebäude von Erich Schelling, dann mitten im Zentrum ein klassizistisches „Musterhaus“ aus der Weinbrennerzeit und nun soll ein weiteres baukünstlerisches Kleinod verschwinden: Das „Franz-Rohde-Haus“ vom berühmtem Kirchenbauer Otto Bartning (1883–1959).
Das anheimelnde Haus entstand im Jahr 1938 im Auftrag der Evangelischen Kirche als Altenwohnheim inmitten eines kleinen Parks in der Karlsruher Weststadt. Es ist ein exemplarisches Gebäude, denn es markiert im Lebenswerk Bartnings die Phase eines sehr zurückhaltenden und eigenständig interpretierten süddeutschen Regionalismus: Ein langgestreckter, rhythmisch gegliederter Baukörper mit Klappläden und Fledermausgauben im Walmdach sowie einer offenen Loggia unter der Dachtraufe. „Der ästhetische Gesamteindruck besitzt eine gesteigerte Qualität und spricht das Empfinden im besonderen Maße an“, urteilte das Landesamt für Denkmalpflege im Jahr 2013.
Das Haus überstand den Zweiten Weltkrieg unbeschadet. Behindertengerecht ausgebaut und in gutem Zustand dient es bis heute als Pflegeheim. Eigentümer ist die eng mit der evangelischen Landeskirche verbundene Stadtmission Karlsruhe. Sie will das bedeutsame Kulturdenkmal abreißen und das Gelände – bis auf drei geschützte alte Eichen – massiv nachverdichtet mit einem neuen Pflegekomplex überbauen. Die Stadtmission setzt sich dabei über alle Maßgaben der Denkmalpflege hinweg und sagt ganz einfach: „Kein Kulturdenkmal!“, „Sanierung nicht wirtschaftlich!“ Die Stadt Karlsruhe hat das abgenickt und mit der Verwaltungsvorschrift über die „wirtschaftliche Zumutbarkeit“ den Abriss investorengerecht legitimiert.
Eine Bürgerinitiative kämpft nun erbittert für den Erhalt des Hauses und zugleich für den Erhalt der qualitätsvollen städtebaulichen Situation. Unfassbar, dass Karlsruhe nicht einmal darüber nachdenkt, der Stadtmission ein Ersatzgrundstück anzubieten oder neue, zukunftsorientierte Nutzungen – wie zum Beispiel partizipatorisches Wohnen – im Franz-Rohde-Haus zu planen. Aktuell wird deutschlandweit Otto Bartnings Rolle in der Architektur neu bewertet: Für seine Notkirchen (nach 1945) wird ein Antrag auf Anerkennung als Weltkulturerbe diskutiert und, 2017 wird sein Oeuvre in großen Ausstellungen gezeigt. In Karlsruhe hingegen, Bartnings Heimatstadt, wird sein baukulturelles Vermächtnis aus unverantwortlicher Ignoranz und Profitmaximierung vernichtet.
Zum Thema:
www.rettet-franz-rohde-haus-karlsruhe.de
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alex | 21.04.2016 19:43 UhrBartnings Kulturdenkmal
So ist das leider nicht nur in Karlsruhe.
Dem kritischen Bericht ist nicht hinzuzufügen!