Es überrascht ein bißchen bei den neo-osmanischen Bestrebungen Erdogans: Das AKP-geführte Kultusministerium der Türkei geht bei der Modernisierung der bedeutenden Beyazit-Bibliothek sehr besonnen mit dem osmanischen Erbe um. Finanziell unterstützt von der Aydın Doğan-Stiftung restaurierten Tabanlıoğlu Architects (Istanbul) den charakteristischen Kuppelbau im historischen Zentrum Istanbuls, der unweit des großen Basars 1884 als eine der ersten öffentlichen Bibliotheksbauten im Sultanat errichtet wurde. Tabanlıoğlu Architects haben sich bei ihrem Umbau an eine strikte Programmatik gehalten, und die lautet: minimaler Eingriff!
Die Architekten stärkten die historische Substanz des Baus und passten Nutzung und Wegeführung der Räumlichkeiten einem zeitgenössischen Bibliotheksbetrieb an. Die Platzierung der Buchbestände organisierten sie neu. Nun sind die historischen Manuskripte im Erdgeschoss untergebracht und die Sammlung ist chronologisch bis zu den zeitgenössischen Publikationen im zweiten Stock angelegt. Erschlossen wird die Bibliothek fortan über den Innenhof, den Tabanlioglu mit einem lichtfilterndem Glasdach geschlossen hat. Die Konstruktion des Dachs, das sich zudem auch öffnen lässt, ist besonders filigran konzipiert. Ebenfalls aus Glas ist ein zurückhaltender Anbau im Nordosten der Bibliothek, der eine archäologische Fundstelle schützt.
Im Erdgeschoss des kleinteiligen Baus haben die Architekten einen zentralen Raum zum Lesesaal umfunktioniert. Glaseinbauten sind zudem als transparente Würfel in die Räume integriert. Hier werden die empfindlichen Rara-Bestände – osmanische, arabische oder persische Manuskripte – konserviert und zugleich für die Besucher sichtbar gemacht. Die neue Raumorganisation wird über eine eigene Lichtführung untermalt, für die das Berliner Studio dinnebier das Konzept entwickelt hat.
Erhalten und modernisieren – anstatt erhalten und aufpumpen, wie es etwa gerade im denkmalgeschützten Istanbuler Viertel Tarlabaşı passiert – ist die Losung dieses Projekts. Anscheinend mussten sich für diesen dezenten Umgang mit der osmanischen Geschichte starke Stimmen einsetzen. Murat Tabanlıoğlu, der mit Istanbul Sapphire der Architekt des höchsten Gebäudes der Türkei ist, und Aydın Doğan, der Milliardär und Medienmogul, sind große Namen einer säkular gesinnten Wirtschaftselite. (sj)
Fotos: Emre Dörter
Zum Thema:
Dass Murat Tabanlıoğlu noch viel mehr als hohe Türme baut, zeigt die Baunetzwoche#428
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recep | 02.08.2016 21:48 UhrOsmanen
Sehr schön. Nur wie man es schafft, selbst in einem kurzen Artikel über Architektur, soviel politische Vorurteile zu platzieren, ist überraschend.