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02.08.2017

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Gutes Projekt, zwiespältiges Verfahren

Ortner & Ortner bauen DGB-Zentrale nahe Berliner Wittenbergplatz


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Von Stephan Becker

Schräg gegenüber vom Wittenbergplatz und dem KaDeWe, als Nachbarn ein filigraner Turm von Rolf Gutbrod, ein denkmalgeschütztes Bürogebäude von Hans Soll und ein stark transformiertes Hochhaus von Paul Schwebes sowie nahe eines Zentrums des Westberliner Geisteslebens – der Urania – gelegen: Mit ihrem jüngsten Projekt arbeiten Ortner & Ortner Baukunst , deren Büro nicht weit entfernt den Kurfürstendamm hinunter zu finden ist, an einem besonderen Ort. Dass dies  möglich ist, liegt auch an einem prominenten Bauherren: Dem DGB nämlich, der an der Kleist- Ecke Keithstraße ein Gewerkschaftshaus besitzt, für das 1961 Willy Brandt noch als Bürgermeister den Grundstein gelegt hatte. Dieses Haus der Hamburger Architekten Wunsch & Mollenhauer soll nun abgerissen werden, um dort die neue Zentrale der Gewerkschaft zu errichten. Die ist nämlich bisher am Hackeschen Markt nur zur Miete untergebracht, während an der Kleiststraße unter anderem der DGB-Landesbezirk Berlin-Brandenburg und die IG Bau beheimatet sind – eine räumliche Konsolidierung steht also an, denn auch alle bisherigen Nutzungen sollen dort nach dem Bau wieder einziehen. Statt wie zuvor 120 Arbeitsplätze, werden im geplanten Gebäude rund 350 entstehen, die Geschossfläche erhöht sich mit rund 13.000 Quadratmetern auf mehr als das Doppelte.

Als Gebäude für die neue DGB-Zentrale sehen Ortner & Ortner einen stattlichen Block an der Straßenkante vor, der sich mit seinen 14 Eckgeschossen an den benachbarten Solitärbauten orientiert. Die Betonfassade ist dabei streng gerastert, was von den Verantwortlichen als gleichermaßen solide wie selbstbewusst beschrieben wird – das Projekt passt damit gut ins Baugeschehen der letzten Jahrzehnte. Dank eines großen Glasanteils verfügt die Kubatur aber trotzdem über eine gewisse Leichtigkeit, die der Umgebung aus der Nachkriegszeit gerecht wird. In den Untergeschossen unterteilt sich das Haus in eine Adresse an der Kleiststraße für die Fremdmieter und einen DGB-Trakt an der Keithstraße. Letzterer ist um ein Atrium organisiert, das neben den Büroflächen in den unteren Geschossen auch den Konferenzbereich erschließt. Die oberen Etagen sind für die übrigen Mieter vorgesehen, einen kleinen Park im Hof gibt es auch. Was DGB und Ortner & Ortner zusammen projektieren, wirkt also durchaus vernünftig – wird damit alles gut an der Kleiststraße? Es sieht ganz danach aus.

Hinsichtlich der Projektgenese stellen sich allerdings zwei Fragen, die man nicht unerwähnt lassen kann. Da ist zum einen der ökologische Aspekt: In vielen Fällen ist der Erhalt des Bestehenden mit Blick auf die Energiebilanz deutlich nachhaltiger als ein Ersatz. Hat man dahingehend wirklich alle Optionen geprüft? Zumindest hätte eine Sanierung des Hauptbaus, den man dabei sogar von hässlichen Modifikationen der Achtzigerjahre hätte befreien können, in Kombination mit einem Neubau an der Straße eigentlich möglich sein sollen. Kann da ein Verweis auf die Wirtschaftlichkeit in Verbindung mit dem schnoddrigen Kommentar, das Gebäude wäre schon „heftig in die Jahre gekommen“, wirklich überzeugen? Schließlich wurden schon viele denkmalgeschützte Nachkriegsbauten (wozu das DGB-Haus nicht gehört) einigermaßen kosteneffizient saniert. Einer Gewerkschaft sollte es dahingehend nicht allein um jeden Euro gehen, es zählt auch die Symbolik – nicht zuletzt mit Blick auf das nahe Charlottenburg, wo gerade viele noch gute, günstig vermietbare Nachkriegswohnhäuser zugunsten von schnell hochgezogenen Renditeobjekten verschwinden.

Zum anderen bleibt es leider auch Wochen nach der Bekanntgabe des Ergebnisses unklar, nach welchen Kriterien im geladenen Gutachterverfahren die Entscheidungen getroffen wurden. Es ist die Rede von einem Wettbewerb, doch weder die weiteren Teilnehmer – im Netz sind nur inoffiziell Müller Reimann Architekten als zweitplatziertes Büro zu finden – noch die anderen Entwürfe präsentiert der DGB, auch über die Jury ist nichts bekannt. Transparenz in einem schon allein aufgrund von Lage und Größe wichtigen Vorhaben sieht  anders aus. Und auch hier gilt, dass sich eine Institution wie der DGB ihrer gesellschaftlichen Verantwortung bewusst sein sollte, anstatt hinter verschlossen Türen zu agieren. Selbst ein Konzern wie Springer stellt sich längst der Öffentlichkeit und kooperierte beim Wettbewerb an der Lindenstraße eng mit dem Senat. Und die Rosa-Luxemburg-Stiftung hatte bei ihrem Neubauvorhaben sogar vorbildlich einen offenen Wettbewerb ausgeschrieben, den schließlich ein junges Büro gewann. Das hätte auch für den DGB der Maßstab sein müssen, selbst wenn, das sei noch einmal gesagt, der Entwurf von Ortner & Ortner durchaus überzeugt.

Wohlwollend lässt sich da nur anmerken, dass der Gewerkschaftsbund und seine Immobiliengesellschaft in den Jahrzehnten seit der Neue-Heimat-Affäre kaum Neubauprojekte zu verantworten hatte, was sicherlich zu einem Teil die Ängstlichkeit erklärt, die hier nun bei der eigenen Zentrale zum Ausdruck kommt. Etwas reibungsloser funktioniert da immerhin die Positionierung im Kerngeschäft: Es sei selbstverständlich, dass die Bauarbeiter auf der Baustelle gut bezahlt werden, war in der Morgenpost zu lesen. Und das zumindest verspricht im Vergleich zu anderen hauptstädtischen Baustellen ein Happy End bei der Eröffnung, mit der frühestens Ende 2020 zu rechnen ist.


Zum Thema:


Mehr über das bestehende DGB-Haus auch unter: www.moderne-regional.de


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Kommentare
...geben nicht die Meinung der Redaktion wieder, sondern ausschließlich die ihrer jeweiligen Verfasserinnen und Verfasser.

11

Thomas M. | 03.08.2017 16:28 Uhr

Grundrisse

Irgendeine Jury muss es ja gegeben haben. Das ist schon seltsam, wie intransparent ein solches Verfahren offensichtlich gelaufen ist. Für eine städtebaulich wichtige stelle, wie am Wittenbergplatz hätte man sich mehr Baukultur in der Phase Null gewünscht, auch wenn wie gesagt, der Entwurf nichts grundsätzlich zu beanstandenes erhält. Interessant finde ich, dass der DGB offensichtlich nichts von modernen Bürokonzepten hält, die Grundrisse zeigen konventionelle Hühnerstall-Bürozellen, die jedem kurz vor der Pension stehenden C&A-Pullover Sachbearbeiter gerecht werden. Schon mal bei 50 Hertz und Kinzo geschaut, wie die Zukunft aussehen könnte?

10

Jenatsch | 03.08.2017 14:22 Uhr

selbstverständlich gut bezahlte Bauarbeiter

Ob die Architekten in diesem nicht zwiespältigen, sondern unsäglichen Verfahren wohl HOAI-konform bezahlt waren? Bin gespannt wie der DGB sein Lippenbekenntnis bzgl. der Bauarbeiter in die Tat umsetzen will. Schon mal von Nachunternehmern gehört?

9

DIY | 03.08.2017 13:12 Uhr

Verfahren + Ergebnis

Es ist sehr traurig, das das Land Berlin ein Verfahren zuläßt und begleitet, in dem die Wörter "Transparenz" und "Öffentlichkeit" nicht vorkommen.
Insbesondere vom DGB hätte man erwarten müssen, das er ein Verfahren wie z.B. bei der Rosa-Luxemburg-Stiftung durchgeführt. Mit Chancen für alle Architekten, zweistufig und öffentlich. Ob "Hai-Investor" oder "DGB", ein Unterschied ist nicht zu erkennen.
Das Ortner-Ortner "gewonnen" hat, ist für die Stadt Berlin gut. Das Verfahren selbst wird dadurch aber um nichts besser.

8

Michael Müller | 03.08.2017 13:07 Uhr

Ich würde die Standard-Basis-Variante

der üblichen Rasterfassade nicht als gutes Projekt bezeichnen. O+O-Entwürfen fehlt es leider an allem: Charme, Eleganz, Dynamik, Schönheit, Originalität. Eine Leichtigkeit kann ich bei der plumpen Kiste schon gar nicht erkennen. Es ist traurig zu sehen, wie Monotonie und Belanglosigkeit in der deutschen Architektur-Avantgarde fortlaufend zum Ziel erhoben werden.

7

FYA | 02.08.2017 17:47 Uhr

Zustimmung

Als jmd, der an einem der übrigen Wettbewerbsbeiträge mitgearbeitet hat kann ich bestätigen, dass die Form und Kommunikation des WBWs äußerst dubios verlief. Keine nahmhaften Preisrichter, kein 1:500er Modell (!) und eine Auslobung, die rein auf Flächenmaximierung ausgelegt war. Für eine Institution dieser Größe und Bedeutung, die sich einer großen Arbeitnehmerschaft verpflichtet sieht, ist ein solches Verfahren wieder mal ein beschämendes Zeugnis, wie es um die deutsche Architekturlandschaft und insbesondere die Vergabepraxis bestellt ist!

@ Hans Mertens: Nur weil es "nur" ein Bürohochhaus (!) ist, kann es nicht als Begründung herhalten qualitätssichernde Verfahren zu unterlaufen. Vielleicht wäre es ja bei einem ordentlichen WBW auch nicht bei dem "nur" geblieben.

P.S.: Ich möchte das nicht als Kritik am Gewinnerentwurf verstanden wissen, dem ich durchaus etwas abgewinnen kann.

6

BK_WB | 02.08.2017 17:36 Uhr

Sehr, sehr schade,

dass der bestehende Gebäudekomplex nicht rückgebaut wird, in seine ursprüngliche, sehr schöne Gestalt.

5

Volkmar | 02.08.2017 16:44 Uhr

Wettbewerb hin oder her -

für das Ergebnis braucht man wahrlich keinen. Die übliche Langeweile in Berlin, vom Demokratie- und Transparenzverständnis des DGB mal abgesehen: Da kommt zusammen, was (heute wohl leider) zusammengehört: Das Gestrige zum Mafiösen.

4

Nico S | 02.08.2017 16:15 Uhr

peinlich

Wenn selbst Gewerkschaften keine Ideen für neue, andere und bessere Arbeitsplatzgestaltung haben wollen, sondern den Status-Quo aktueller Bürogebäude einfach übernehmen, welche Impulse soll das dann setzen? Traurig und peinlich!

3

fabrik3 | 02.08.2017 16:09 Uhr

ich bin da

anderer meinung.
langweiliges projekt nach zwiespältigem verfahren.

2

Hans Mertens | 02.08.2017 15:54 Uhr

Komische Nummer

Kann die Aufregung über den Wettbewerb schon verstehen, aber das Projekt finde ich trotzdem angemessen, ja sogar ganz gut. Es ist halt doch einfach nur ein Bürohaus, und die Zeit der großen Statements nach dem Motto Freier Westen ist einfach vorbei.

1

JH_LND | 02.08.2017 15:35 Uhr

Mal ganz unabhängig vom Verfahren...

...was Interessanteres ist denen nicht eingefallen? Hätte doch schon geholten, die zwei obersten Geschosse minimal nach hinten zu versetzen. Gähn.

 
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