Ein Kommentar von Kathrin Schömer
Fortschrittsglaube und die Vision vom besseren Leben für alle kennzeichneten die Ansätze, mit denen Architekten in den 1960er Jahren gesamtgesellschaftliches Umdenken in räumlichen und sozialen Fragen zu triggern versuchten. Heute schreibt man diese Attribute – die ihren Verve längst verloren haben und fast nur noch zynisch zu gebrauchen sind – eher Influencern und erfolgreichen Firmen zu. Facebook ist eine solche Firma. Sie bezeichnet sich als sozial und dient nahezu zwei Milliarden Menschen virtuell als Zuhause. Nun will der Konzern auch physischen Wohnraum schaffen und mit einem Dorf dem Wohnungsmangel im kalifornischen Menlo Park begegnen.
Und welches Büro passt hierfür besser als OMA (New York), das für spektakuläre Projekte am Puls der Zeit bekannt ist und zugleich einen utopiefreundlichen, intellektuellen Vibe mitbringt? Auf einem 22 Hektar großen Gelände, direkt gegenüber der Facebook-Firmenzentrale 30 Meilen südlich von San Francisco, sieht der unter der Leitung von OMA-Partner Shohei Shigematsu entstandene Masterplan das Dorf mit dem klangvollen Namen Willow Campus vor. Ganz anders als beispielsweise der sich hermetisch abgrenzende Apple Campus 2 von Norman Foster in Cupertino zeigt sich Willow Campus auf den wenigen veröffentlichten Visualisierungen als offene Anlage. Der Fokus liegt auf dem sich im Grünen und auf der Straße abspielenden Sozialleben. Heterogene Solitäre unterschiedlicher Nutzung sind Konzept und vage im Hintergrund zu erahnen; zu den Wohnhäusern kommen Pläne für Hotels, transparente Büroflächen, ein Supermarkt, die kleinteilige Bespielung der Straßenfläche. Auch in den Ausbau der örtlichen Verkehrs-Infrastruktur will Mark Zuckerbergs Firma mehrere Millionen Dollar investieren.
Das Wohnen im Village sei nicht nur Angestellten vorbehalten, so das Statement vom Facebook-Vizen John Tenanes. Die Planung solle jedoch die Mitarbeiter und die ihnen wichtigen Personen in allen Lebensphasen unterstützen. Der Neubau einer Schule, die einen nicht unwichtigen Teil dieser Unterstützung ausmachen würde, ist allerdings nicht angedacht. Auch dass nur 15 Prozent der neuen 1500 Wohneinheiten unterhalb des ortüblichen Mietspiegels angeboten werden sollen, erscheint im von der Wohnungskrise hart getroffenen Menlo Park als blanker Hohn. So kann die Weltverbesserungsbotschaft Tenanes’ kaum verschleiern, dass es bei dem Projekt weniger um die Lösung der Wohnungsfrage als vielmehr um die Interessen des Konzernes geht.
Sie seien dazu gezwungen worden, ein eigenes Dorf zu gründen, heißt es in der Erklärung. Die örtliche Politik habe in Sachen Verkehrsplanung und Wohnungsmarkt versagt, an der realen Entwicklung vor Ort mitzuhalten. Lange Wege und überfüllte Autobahnen seien die Konsequenz dieses zögerlichen Handelns. Tatsächlich haben sich, seit der Niederlassung des Social Media Konzern 2011 in Menlo Park die dortigen Mieten verdreifacht – auf Preise, die sogar die Mieten in New York massiv übersteigen, wie die Webseite Rent Jungle meldete. Erst 2015 hatte der Konzern den unter dem stockenden Verkehr leidenden Pendlern eine Provision von 10.000 Dollar geboten, sollten sie näher an ihren Arbeitsort ziehen – ein Schachzug, der die Wohnungsnot in Menlo Park nur weiter zuspitzte.
Bis 2027 soll der Campus fertiggestellt sein. Facebook kündigt an, auch weiterhin dafür zu sorgen, dass die Präsenz der Konzernzentrale für die Gegend nur von Vorteil ist. Der Internetmogul Google hat unterdessen vermeldet, sich der Wohnungsfrage im nahe gelegenen Mountain View annehmen zu wollen. Vielleicht ist angesichts maroder staatlicher Institutionen das privat finanzierte Großsponsoring des Allgemeinwohls ja tatsächlich unser aller Zukunft. Wie Tenanes schon drohte: „This is only the beginning.“
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ein architekt | 13.07.2017 14:58 Uhraus der Stadt
hmm...sieht nach einer Innenstadt im Sommer aus. Fehlen noch die Jungs mit dem Grill.