Die Manifesta entwickelt sich langsam von einem Experimentierfeld für neue Kunst zu einem Forschungsbetrieb für die Stadt. Schon in diesem Jahr zeigte sich die Wanderbiennale in Zürich als Untersuchungslabor städtischen Lebens. „Wie arbeiten wir heute?“ war die Leitfrage des künstlerischen Direktors Christian Jankowski. Jankowski – selbst eigentlich Künstler – führte die Besucher zu unterschiedlichen Orten und Typen der Arbeit in Zürich. Banker in ihren Büros, Neurologen in ihrer Praxis und Prostituierte in ihren Bordellkammern inbegriffen. Nun kündigt Manifesta-Chefin Hedwig Fijen an, dass sich der Fokus der kommenden Biennale 2018 in Palermo auf den urbanistischen Diskurs weiten soll.
Fijen greift sogar noch höher und will die Manifesta 2018 nicht mehr als Ausstellungsmedium, sondern als Plattform politischer Aktionen etablieren: „Wie kann die Manifesta dabei helfen, neue Regeln oder Instrumente zu entwickeln, mit denen sich lokale Communities ihre Stadt zurückerobern können?“ Wer sonst, wenn nicht das zwischen urbanistischer Theorie und künstlerischer Expressivität switchende Büro OMA (Rotterdam) sollte also die kuratorische Leitung der neuen Biennale in Palermo übernehmen?
Unter der Federführung von OMA-Partner Ippolito Pestellini Laparelli, der sich bereits mit der Ausstellung Monditalia während der Venedig-Biennale 2014 hervorgetan hat, wird sich die Manifesta 2018 der Gegenwart und Zukunft der europäischen Stadt widmen. Klingt sehr allgemein – und genau das ist auch Laparellis Plan, der ein interdisziplinäres Team aus den Feldern zeitgenössische Kunst, Soziologie, Musik, Kino und Architektur zusammenstellen will. Die Manifesta selbst soll schließlich eine Serie von interaktiven, interdisziplinären, performativen und künstlerischen Interaktionen werden, die alle die große Frage stellen, wer die heutige Stadt eigentlich regiert.
Interessant ist die Wende von der bloßen Repräsentation der Kunst zu urbanistischen Aktionen durchaus. Die Reaktionen darauf sind jedoch gespalten. Während Kolja Reichert in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung begrüßt, dass nun die Basis – sozusagen die echten Akteure der Stadt – in die Kunstbiennale einbezogen werden, vermutet Catrin Lorch in der Süddeutschen Zeitung lediglich Ratlosigkeit seitens der Manifesta-Macher. Dieser Realitätsruck der Manifesta von einem Kunstlabor zur stadtpolitischen Plattform kann gut werden, solange Abstraktion und ästhetische Unabhängigkeit, die Kunst liefern kann, bleiben. Den Spagat zwischen politischer Analyse und künstlerischem Ausdruck könnten OMA hinkriegen. Mal schauen, ob es klappt. (sj)
Zum Thema:
OMA kuratierte bereits die Venedig-Biennale 2014, dazu die Baunetzwoche#367. Zur Manifesta 2016 in Zürich gab es auch eine eigene Ausgabe der Baunetzwoche, die Nummer 458.