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14.01.2021

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Tor 2 zu mehr Urbanität

Nieto Sobejano gewinnen Wettbewerb in Köln


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Zuletzt berichtete Baunetz im April 2018 über das Areal der ehemaligen Gummifabrik Clouth im Kölner Stadtteil Nippes, das seit 2003 unter Federführung der Entwicklungsgesellschaft moderne stadt mit großem Kraftaufwand zu einem neuen Stadtquartier transformiert wird. Da der Schwerpunkt der Bautätigkeit zunächst auf der Schaffung eines vielfältigen Angebots von Wohnraum lag, wohnen auf Clouth inzwischen rund 3.000 Menschen. Langsam schließen sich die letzten Lücken, Plätze sind ansatzweise gestaltet und Wegeverbindungen etabliert. Doch ein wenig mangelt es noch an Leben, denn Wohnen und Brötchenkaufen allein lassen das Städtische, was dieses Quartier einmal ausmachen soll, noch deutlich vermissen. Clouth 104, eine zeitgenössisch-urbane Interpretation des klassischen Gewerbehofs von Lepel & Lepel, ist inzwischen fertig gestellt und zu Teilen bezogen. Die Gastronomie, die die Erdgeschossflächen und das Pförtnerhäuschen bespielen wird, hängt coronoabedingt leider noch in der Warteschleife.

Kritisiert wurde bei der Entwicklung von Clouth, dass einige Industriedenkmäler zugunsten einer wirtschaftlichen Nutzung zur aufwendig sanierten Ziegeltapete wurden. Straßennamen wie „Am Walzwerk“ oder „Seekabelstraße“ erzählen da vielleicht mehr von der Geschichte des Ortes. Doch mit der nun geplanten Entwicklung des denkmalgeschützen Ensembles an Tor 2 bietet sich nun erneut eine wichtige, vielleicht auch die letzte Möglichkeit zur gestalterischen Identitätsbildung des Quartiers. Primäre Nutzung der geforderten 22.000 Quadratmeter BGF soll ein zeitgemäßes Angebot zur Verbindung von Arbeiten und Wohnen sein, doch TOR2, so der Projektname, soll sich mit Tanzakademie und Theatersaal auch als Kulturdestination positionieren. Gastronomie sowie öffentliche Veranstaltungen und Ausstellungen in Ehrenhof und Pförtnerloge lassen neue Impulse für das noch schlummernde städtische Leben im Quartier erwarten.

Nach erfolgreicher Teilnahme an der Konzeptausschreibung erwarb der Kölner Projektentwickler SiebersPartner das 12.460 Quadratmeter große Grundstück von moderne stadt und lobte im Mai 2020 ein Gutachterverfahren zur architektonischen Qualifizierung aus. Sechs Büros waren zur Teilnahme geladen, durchsetzen konnte sich in der abschließenden Jurysitzung des dreistufigen Verfahrens (Vorsitz: Thomas Bieling), schließlich der Entwurf von Nieto Sobejano Arquitectos (Berlin/Madrid). Zwei zweite Preise gingen an Michels Architekturbüro und an rethmeierschlaich architekten, beide Köln. Drei weitere Büros, Schaller Architekten und Heinrich Böll aus Köln sowie Chaix & Morel aus Paris, waren in der zweiten Runde ausgeschieden.

Vorgefunden haben die Architekten ein nach dem Vorbild des Hôtel de Ville angelegtes zwei- und dreigeschossiges Verwaltungsgebäude aus den 1950er Jahren. Erschlossen wurde die Anlage mit großer Geste über einen Ehrenhof an der Westseite. Während der dreigeschossige Hauptflügel am Kopf des Hofes formal noch stark vom architektonischen Duktus der NS-Zeit geprägt ist, wirken die Seitenflügel (einer für die Direktion des Kabelwerkes, einer für die des Gummiwerkes) eher wie ein Rückgriff auf die 1920er Jahre. Im Kontrast zu Schwere und Ernsthaftigkeit steht an der Straßenkante ein filigranes Konstrukt aus Pförtnerhäuschen, Vordächern und halbrund vorspringenden Treppenhäusern, das die beiden Seitenflügel auf fast verspielte Weise zusammenführt. Seine heutige S-Form erhielt die Anlage durch spätere Erweiterungen, die sich um bestehende Hallen der Kabelfabrik legten. Interessant für die Nachnutzung ist auch der sogenannte „Sozialbau“ mit Werksküche, Speisesaal, Toiletten und Garderoben im Norden, der früher für Feste und Versammlungen genutzt wurde.  Durch die dem Stadtteil Nippes zugewandte lange Westflanke und die Lage an der Kante des zentralen Quartierplatz wird TOR2 eine große Präsenz erhalten. Laut Auslobung „ein sensibler, aber gleichermaßen auch selbstbewusster architektonischer Auftritt“, dem es gelingen sollte, das „historische Ensemble zu vollenden“.

Aufgrund ihrer besonderen Eignung durch die gegebenen Höhen und Gebäudetiefen widmeten Nieto Sobejano die stützenfreien Räume der Bestandsbauten größtenteils in Büros mit flexibler Grundrissstruktur für einen Co-Working-Anbieter um. Öffentlichere Nutzungen finden sich im EG, ein wichtiger Kommunikationspunkt ist der Riegel zwischen den beiden Höfen, der mit einem Café markiert wird. Die Theaterakademie als eigenständiges Volumen wird mit einer respektvollen Fuge zum Bestand in den Nordhof eingestellt und überragt ihn gerade so, dass das Zeichen des Neuanfangs aus der Straßenperspektive sichtbar ist. Roten Sichtbeton schlagen Nieto Sobejano als Fortschreibung des roten Backsteins vor. Mit der Plastizität und der starken Betonung der Vertikalen ihrer Fassaden wagen sie sich jedoch noch deutlich weiter vor. So erscheint auch die Wohnbebauung, ein viergeschossiger Riegel mit Staffelgeschoss, der sich auf der dem Quartier zugewandten Seite um den Bestand legt, mit einer bewegten Variante der Betonfertigteil-Fassade sehr lebendig. Die Entwickler überzeugte „die charaktervolle, elegante Architektur und individuelle Sprache des Entwurfs“. Ausgesprochen gut gelungen ist die Verknüpfung der unterschiedlichen Freiräume vom öffentlichen Straßenraum über den Ehrenhof bis zum intimen Theatervorplatz im Hof, die die Jury als „nahezu virtuos angelegte Platzfolge“ wertete. Hier kann Clouth endlich urban werden.

Ein zweiter Platz für Michels Architekturbüro: Die Jury wertet historische Zitate im Entwurf positiv, stellt aber funktionale und gestalterische Mängel bei der Anlage des Theaters fest. Mit der Fassade aus rotem Ziegel bleibt das Büro in der für Clouth inzwischen klassischen Fassadengestaltung.

Ein zweiter Platz für rethmeierschlaich architekten: Gute Integration des Bestands, doch die Jury kritisierte die Gestaltung der vergleichsweise konventionellen Wohnfassaden und die unklare Zuordnung der Außenflächen.

Text: Uta Winterhager


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Kommentare
...geben nicht die Meinung der Redaktion wieder, sondern ausschließlich die ihrer jeweiligen Verfasserinnen und Verfasser.

6

Paula | 18.01.2021 13:00 Uhr

Ich denke man kann ihre Einschätzung nicht verallgemeinern.

Ich selbst habe die besten Gebäude mit öffentlichen Bauherrn bei Wettbewerbsverfahren durchbringen können. Hier sind Lösungen wie pigmentierter Sichtbeton tatsächlich auch umsetzbar (selbst erlebt). Ich plädiere für eine Stärkung der öffentlichen Hand. Das Wettbewerbswesen ist sicherlich in Teilen sanierungsbedürftig, dennoch macht es Sinn Ideen von guten Büros einzuholen, die das ganze dann auch Umsetzen können. Was passiert, wenn die Feld-Wald-Wiesen-Architekt*in zum Einsatz kommt kann man allerorts sehen. Gerade hier, beim gebauten Alltag, wäre es doch so wichtig wieder (?) Qualität zum Standard zu machen. Wenn wir über Innovationen reden, dürfen wir sowieso nicht mehr an Beton und Glas hängen.

5

STPH | 18.01.2021 09:54 Uhr

@4Paula

Oje und ich wollte noch nachfügen dass eine um 2 Sockwerke höhere Wohnregalstruktur aus Beton und Glas auch möglich wäre, gerade damit es für das Karee einen Kopf bildet, als Kritik an den hiesigen klein klein Städtebauvorgaben, dem üblichen Klötzchenkotzen. Maßstab für Köln ist Rotterdamm, oder?

Geladene Wettbewerbe sind innovationsfeindlich und dadurch bei Auftraggebern, auch öffentlichen, so beliebt. Das nähert sich dann oft dem Standard mit schöner Tapete.
Insofern ergänzen sich Städtebau und Wettbewerbsverfahren in der Abwärtsspirale.

4

Paula | 15.01.2021 17:23 Uhr

Verdienter erster Platz...

...soweit man das beurteilen kann. Wer den Text liest erfährt auch, dass Nieto Sobejano einen bewussten Texturwechsel bei gleicher Farbigkeit vorschlagen, was ein weitaus besserer Weg für eine Quartiersbildung ist als eine zwanghafte Kontrastierung. Gewöhnungsbedürftig ist lediglich die Perspektive vom leicht erhöhten Standort.

Tipp für STPH: Machen Sie doch selber mal mit bei solchen Wettbewerben, dann können Sie Ihre Ideen auch einbringen.

3

STPH | 15.01.2021 11:31 Uhr

...

das Strukturelle, transparente des Bestands geht in hellen Beton und Glas im Kontrast zu den dunkleren, geschlossenen Ziegelwänden.
Da die Neubauten optisch über dem Bestand zum Vorschein kommt wäre auch eine Auflösung des Neuen in einer leichteren hellen Beton-Glasstruktur denkbar... gewesen, wie seiner Zeit in einer expressionistischen Lichtkrone.

2

solong | 15.01.2021 09:14 Uhr

... die neubauten völlig kontrastlos ...

... ist halt ein anderer ansatz ... der kontrast liegt bei dem entwurf von nieto sobejano arquitectos ... ja in der völlig anderen "fassadengrammatik" ... das wird schon spannend ... ohne das es auf kosten der substanz geht ...
darum sind nieto sobejano arquitectos ja auch meist ziemlich überzeugende profis ... eben nicht nur "auch ein architekt" ... ein großes glück !!

1

auch ein | 14.01.2021 16:04 Uhr

architekt

"dass einige Industriedenkmäler zugunsten einer wirtschaftlichen Nutzung zur aufwendig sanierten Ziegeltapete wurden"

leider kommen die neubauten völlig kontrastlos als ebensolche , zumindest farblichen, ziegeltapeten hervor. eine geklinkerte "sauce architecturale" legt einen rötlich langweiligen schleier über das gebiet......

 
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1. Preis: Nieto Sobejano Arquitectos (Berlin/Madrid)

1. Preis: Nieto Sobejano Arquitectos (Berlin/Madrid)

2. Preis: Michels Architekturbüro (Köln)

2. Preis: Michels Architekturbüro (Köln)

2. Preis: rethmeierschlaich architekten (Köln)

2. Preis: rethmeierschlaich architekten (Köln)

Luftbild des Areals von 2018 (© Bernhard Fischer)

Luftbild des Areals von 2018 (© Bernhard Fischer)

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