Wer ein „Labor der Zukunft“ verspricht, der legt die Latte ganz schön hoch. Wird Lesley Lokko als Kuratorin der kommenden Architekturbiennale in Venedig überzeugen können? Vergangene Woche hat die ghanaisch-schottische Architektin in Venedig ihr Programm im Detail vorgestellt. Und tatsächlich, wenn man die üblichen Veranstaltungen des Architekturbetriebes als Maßstab nimmt, dann wird demnächst die Zukunft wirklich nach Venedig kommen. Das Geschlechterverhältnis ist beispielsweise 50:50, der Altersschnitt 43 und die Teilnehmenden überwiegend nicht-weiß – alles nach wie vor keine Selbstverständlichkeit.
Ansonsten verspricht Lokkos Auswahl eine gewisse Luftigkeit. Statt noch 112 Teilnehmende vor zwei Jahren reduziert sie das Feld auf 89. Insbesondere dürfte sich das im zentralen Pavillon in den Giardini bemerkbar machen, wo sie unter dem Titel „force majeure“ einigen großen Namen viel Platz einräumt. Ihr Auftrag an die 16 Teams: sich im Sinne eines gesellschaftlichen Wandels eine bessere Welt vorstellen. Zu finden sein werden hier unter anderem Beiträge von Adjaye Associates, Kéré Architecture, Theaster Gates Studio und Toni Griffin mit urbanAC.
Im Arsenale wird es wohl etwas gedrängter zugehen, aber auch hier präsentiert Lokko mit „Dangerous Liaisons“ einen interessanten Ansatz. Der Fokus liegt auf hybriden Konstellationen beispielsweise bezüglich Arbeitsweisen und -feldern, Geographien oder persönlichen Beziehungen hinweg. Bewusst spricht sie mit Blick auf die Teilnehmenden ohnehin nur von Praktiker*innen, um die üblichen Grenzen der Disziplinen zumindest etwas aufzulösen. Zu den bekannten Namen gehören hier unter anderem Neri&Hu, Andrés Jaque, Eyal Weizman oder die Klimaforscherin Suzanne Dhaliwal. Ergänzt wird dieses Programm um einige „Curator’s Special Projects“, bei denen Lokko mit verschiedenen Teams zu konkreten Themen wie „Landwirtschaft und Klimawandel“ oder „Geschlecht und Geografie“ zusammenarbeitet.
Der Wunsch, einen Beitrag zum dringend notwendigen Wandel zu leisten, zeigt sich auch bei vielen nationalen Beiträgen, die nun – wie Deutschland – ebenfalls ihr detailliertes Programm vorgestellt haben. Es geht um Wasser (u.a. Griechenland, Niederlande, Panama), Nahrungsmittelproduktion (Portugal, Spanien), um Erde (Luxemburg, Brasilien), das Recht auf Wohnen (Kanada, Estland) oder Identitäten und Rituale (Frankreich, Großbritannien). Konkret wird es auch im Falle der USA, die sich nach Holzbau vor zwei Jahren nun passenderweise mit „Everlasting Plastic“ beschäftigen. Und bei den Vereinigten Arabischen Emiraten folgt auf die preisgekrönte Auseinandersetzung mit „Wetland“ programmatisch das Thema „Aridly Abundant“.
Es ist natürlich nicht so, dass nicht auch vergangene Biennalen beispielsweise von Hashim A. Sarkis oder Alejandro Aravena vergleichsweise konkreten Ideen für eine bessere Welt versammelt haben. Als Lesley Lokkos Verdienst darf allerdings schon jetzt gelten, bezüglich möglicher Ansätze den Horizont deutlich zu erweitern. Alles andere muss sich in der Umsetzung vor Ort beweisen. Lokko sagt dahingehend, dass sie und ihre Mitstreiter*innen in den letzten Monaten die Sinnhaftigkeit einer globalen Architekturausstellung immer wieder aktiv hinterfragt haben. Das klingt nach keiner schlechten Basis für eine inspirierende Biennale. (sb)
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