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01.12.2009
Stella: publikationsgeil
Neue Vorwürfe gegen Berliner Schloss-Architekten
Am morgigen Mittwoch, 2. Dezember 2009, überprüft das Oberlandesgericht Düsseldorf die Rüge der Vergabekammer des Kartellamts an der Beauftragung von Franco Stella und des um ihn herum gegründeten Planerkonsortiums (siehe BauNetz-Meldung vom 11. September 2009 und BauNetz-Kommentar vom 14. Oktober 2009). Vor Gericht geht es unter anderem auch um die Frage, ob Franco Stella an dem Wettbewerb für den Wiederaufbau des Berliner Schlosses als „Humboldt-Forum“ vor einem Jahr überhaupt teilnahmeberechtigt war. Das Bundesbauministerium hatte dies stets behauptet, konnte es aber bisher nicht nachweisen. Zuletzt hieß es, man werde „vertrauliche“ Unterlagen erst zum Gerichtstermin präsentieren.
Doch auch dieses Vorhaben steht nun vor dem Scheitern. Das belegt unter anderem ein Schreiben des italophilen Berliner Architekten Walter A. Noebel vom 30. November 2009, das der BauNetz-Redaktion vorliegt. Noebel hatte in den Jahren 2000 bis 2002 in einer Arbeitsgemeinschaft mit Franco Stella die Messe Padua gebaut.
Für eine Teilnahmeberechtigung eines Büros hatte der Auslober des Berliner Schloss-Wettbewerbs (relativ niedrige) quantitative Hürden errichtet. Damit sollten völlig unerfahrene Büros aus dem Verfahren ferngehalten werden. Dabei war unter anderem gefordert worden, dass ein Teilnehmer in den Jahren 2004 bis 2006 mindestens drei fest angestellte Architekten als Mitarbeiter beschäftigt haben musste.
Um diese Forderung zu erfüllen, präsentiert Stella nun offenbar drei Angestellte der Firma „Estel spa“, die per „Werkvertrag“ an ihn ausgeliehen worden sein sollen. Die Firma aus Thiene im Veneto, etwa 25 km nördlich von Vicenza gelegen, gehört seinem Bruder Alberto Stella und stellt Designerküchen her.
Ob die Mitarbeiter, wie gefordert, nach italienischem Recht die Berufsbezeichnung „Architekt“ führen dürfen, bleibt dabei offen. Der Tagesspiegel titelt heute jedenfalls süffisant: „Schlossplaner kommen aus der Möbelbranche“.
Walter Noebel hat offenbar keine Veranlassung, seinen ehemaligen Projektpartner Stella zu schützen. Er schreibt vielmehr:
„Vermutlich wird hier über einen nachträglich angelegten Dienstleistungsvertrag zwischen Estel spa und dem Büro Stella eine formale Überleitung der Mitarbeiter der Estel spa in das Büro Stella „konstruiert“.
Weiter bezweifelt Noebel die Beweislage für Stellas Behauptung, die sich offenbar hauptsächlich auf eine Angabe der Architektenkammer Vicenza stützt:
„Nun, belegen lässt sich dies [gemeint sind Anstellungsverhältnisse] erst, wenn man Kopien der Dokumente und Belege in den Händen hat. Ebenso ist die Auskunft der Finanzbehörde der Region Veneto unabdingbar; diese kann aber erst erteilt werden, wenn eine richterliche Anforderung gestellt wird.
Ich kann mir aber einfach nicht vorstellen, dass hier auf der Basis einer Erklärung des Präsidenten der Architektenkammer Vicenza geurteilt wird und dass die angegebenen Dokumente nicht ausgehändigt werden sollen. Na, vielleicht erhält der Präsident dafür eine Küchenzeile von Estel.“
Zuletzt fragt sich Noebel, wofür Stella im fraglichen Zeitraum überhaupt vier Mitarbeiter (drei Angestellte und sich selbst) benötigt haben will:
„Ich will es nicht glauben, aber mir scheint, hier wird heftig getrickst, um diesen Nachweis für Stella ‚sauber‘ erscheinen zu lassen. Die in seiner Liste aufgeführten Projekte aus dem Zeitraum 2004-2006 sind – überwiegend erfolglose – Wettbewerbsbeiträge und die Arbeit an seiner Monographie. Man muss dazu wissen, dass Stella eine merkwürdige Eigenschaft hat: Er ist, wie man heute so schön sagt, „publikationsgeil“.
Der einzige mir bekannte Mitarbeiter des Büro Stella im Zeitraum 1999-2002, also der Zusammenarbeit mit meinem Büro an der Messe Padua, war ein gewisser Michelangelo Zucchini, und zwar lediglich halbtags! Da das Bauvolumen der Messe Padua bei weitem alles übersteigt, was er in den Jahren 2004-2006 als Projektreferenz angibt, kann ich mir wirklich nicht vorstellen, weshalb nun auf einmal vier Vollzeit-Mitarbeiter notwendig wurden.“
Das Oberlandesgericht Düsseldorf gab gestern auf Anfrage bekannt, eine offizielle Pressemitteilung über eine Entscheidung werde erst in rund vier Wochen herausgegeben. Wir bleiben dran und werden Sie so bald wie möglich über die Entscheidung informieren, die das Prestige-Bauvorhaben der Berliner Politik (nicht: der Bevölkerung) höchstwahrscheinlich in noch heftigere Turbulenzen als bisher bringen wird.
(-tze)
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