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04.07.2011

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Wachturm für den Wein

Neubau von Barozzi Veiga in Spanien


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Roa ist ein Dorf mit knapp 3.000 Einwohnern im Süden der spanischen Provinz Burgos. Hier ist das Land flach, trocken und steinig. Die Reste der mittelaterlichen Befestigungen künden dennoch von dem Wohlstand, den es früher hier zu verteidigen galt. Denn schon lange lebt die Gegend vor allem vom Wein aus den Tempranillo-Trauben, so liegt Roa mitten im bekannten Weinbaugebiet Ribera del Duero, ein Gebiet, das vermutlich schon seit über 2.000 Jahren mit Wein bebaut wird.

2006 gewannen Estudio Barozzi Veiga (EBV) den internationalen Wettbewerb für die Hauptverwaltung des Weinbaugebiets. Wenn ein Weinbauer sein Produkt mit dem Siegel des DOC Ribera del Duero versehen möchte, dann wird sein Wein hier durch eine Probe getestet. Im Mai 2011 konnte der 3.600 Quadratmeter große Neubau eröffnet werden, natürlich mit einem großen Weinfest. Für das Gebäude war ein Baugrundstück am Dorfrand, direkt auf der alten Stadtmauer, vorgesehen. Am Rande eines kleinen Erdwalls zeichnet die alte Mauer hier eine scharfe Trennlinie zwischen Stadt und Landschaft.
Geschickt beziehen EBV dabei die vorhandene, historische Bebauung in ihren Entwurf mit ein: Ein benachbartes Krankenhaus aus dem 16. Jahrhundert wurde restauriert, hier finden sich jetzt die Verwaltungsräume. Außerdem wurden zwei erhaltene Fragmente genutzt, eine alte Mauer und das Portal einer Kirche aus dem 17. Jahrhundert, um daran zwei kleine Baukörper anschließen zu lassen, die aber nur als Oberlichter für die Räume unter dem neuen Platz dienen.

Dieser neue Platz wurde zwischen den Resten der alten Bebauung angelegt und, ebenso wie die Gebäude, mit lokalem Naturstein verkleidet. „Diese Gestaltung der Gebäude und der Platzoberfläche lässt den Platz wie eine in den Naturstein gemeißelte Leere erscheinen und strebt nach einer sinnlichen Beziehung zum Kontext“, schreiben die Architekten.

Zur Kante am Ende des Platzes haben EBV als klares Zeichen einen Turm auf trapezförmigem Grundriss errichtet, der ebenfalls mit Stein verkleidet wurde. Wie ein neuer, alter Wachturm ragt er auf, in ihm sind die öffentlichen Funktionen untergebracht, vor allem ein Auditorium für bis zu 350 Personen und oben, unter dem abgeschrägten Dach, der repräsentative Vorstandssaal mit den – insbesondere nachts – weithin sichtbaren, runden Fenstern. Die uns ein bisschen, aber vielleicht trügen die Fotos, wie ein gut gestaltetes Regal für besonders große Weinflaschen erscheinen. Insgesamt jedenfalls ein wunderbares Projekt, das Vorhandenes respektiert und ergänzt, mit neuen Funktionen bestückt und selbstbewusst einen Turm hinzufügt, der das Wunder vollbringt, gleichzeitig markant und sensibel zu erscheinen.


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Kommentare
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7

@Lars | 07.07.2011 09:00 Uhr

Zeitgeist

Ich habe eigentlich gar nicht angefangen, gegen die runden Fenster zu argumentieren, sondern nur eine kleine verbale Spitze gesetzt. Und wo keine Argumente sind, kann auch nichts verpuffen.

Ihr Argument, dass darf ich vielleicht anfügen, steht auf sehr wackligen Füssen. Zitat: "wer alt und neu so gut verbindet und die hanglage so geschickt nutzt, der kann sich auch locker die runden fenster leisten"

Was heisst das? Verzeihen Sie mir meine flapsige Übersetzung: wer eine gute Architektur macht, darf, ja muss an einer Stelle auch einmal richtig ins Fettnäpfchen hauen.

Verzeihen Sie: warum? Genügt es nicht einfach, gute Architektur zu machen?

Verstehen Sie mich nicht falsch. Wie bereits schon Mies sagte: Architektur ist raumgefasster Zeitwille. Gegen den Zeitgeist zu arbeiten wäre daher, laut Mies, überhaupt gar nicht möglich. Aber, und da ist Mies ebenfalls ein gutes Beispiel, es sollte unser Ziel sein, an jeder Stelle kritisch zu hinterfragen, wo die Grenzen einer zeitgenössischen Sprache liegen und wo das Modische beginnt. Ein Beispiel: die Postmoderne hat, man glaubt es kaum, einige bemerkenswert gute Bauten hervorgebracht. Doch woran denken Sie, wenn Sie heute diesen Begriff hören? Vielleicht an Sprengbögen, vielleicht an violette Fensterrahmen. Derartige Details sind typisch für jede Epoche. Das bedeutet nicht, dass sie an sich schlecht wären - im Gegenteil! Es bedeutet, dass sie sich gerade durch ihre hohe Fotogenität schnell erschöpfen.

Ein ähnlicher Effekt ist zu beobachten, wenn Sie ein Lied einer Ihnen genehmen Musikgruppe zum ersten Mal hören und lieben lernen, dann aber durch ständiges Wiederholen im Radio demselbigen überdrüssig werden. Ist das Lied nun schlecht? Nein, es war vielleicht nur ein wenig zu einfach zu verdauen…

6

lars | 06.07.2011 09:17 Uhr

ach,

lieber herr palladio.
in diesem fall ist gegen den ach so bösen zeitgeist einfach mal gar nichts einzuwenden, ihre argumentation gegen die runden fenster verpufft im nichts... wer sos chön platz, solitär und ensemble gestaltet, wer alt und neu so gut verbindet und die hanglage so geschickt nutzt, der kann sich auch locker die runden fenster leisten, ach, der muss sie sich sogar leisten. sieht super aus. nicht trotz, sondern gerade wegen der runden fenster. diese erst geben dem neuen turm einen passenden "zeitstempel", und zeigen deutlich, dass sich historie hier mit gegenwart mischt. bravo, herrlich!

5

rauke rübenstrauch | 05.07.2011 09:59 Uhr

sehr schön


harmonisiert wunderbar mit dem bestand. weiterbauen kann so schön sein! das archaische äussere passt auch perfekt in die landschaft. dazu der kontrast im innern...

4

Stadtplanerin | 05.07.2011 09:52 Uhr

Wirkung

Sehr gelungen!

3

Andrea Palladio | 05.07.2011 09:03 Uhr

Bauen für den Wein

Anscheinend scheinen Winzer gute Bauherren zu sein. Begonnen beim legendären Bau von Herzog & de Meuron im Napa Valley sind in den letzten Jahren einige bemerkenswerte Bauten entstanden.

Der vorliegende Beitrag ist vor allem daher interessant, weil es ihm in mehrerer Hinsicht gelingt, seltene Synthesen zu Stande zu bringen. So ist der Bau einerseits Solitär, anderseits Ensemble, einerseits sehr selbstbewusst, andererseits durchaus verschleifend mit dem Bestand in Hinsicht auf Materialisierung und Dachausbildung.

Die runden Fenster müssen als eher unnötiges Zugeständnis an den Zeitgeist gewertet werden. Hier wird sich diese Architektur wohl bald überleben. Der schöne Vorplatz und die wuchtige Geste am Fusse des Hügels werden bleiben.

2

Augsburg | 04.07.2011 19:06 Uhr

Wachturm für den Wein!

Prost!

1

archi | 04.07.2011 15:33 Uhr

Einfach...

...nur WOW!

 
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