Ein überregional beachtetes Beispiel für kreative Denkmalpflege ist fertig: Im Oktober 2009 begann der Bezug des ersten Bauabschnitts des neu gebauten olympischen Dorfes in München als Studentenwohnungen. Das Original von 1972 ist dazu abgerissen und durch ähnliche Neubauten unter Beteiligung des ursprünglichen Architekten ersetzt worden.
Die Architekten erläutern: „Das Bungalowdorf der Wohnanlage des Studentenwerks München, das 1972 in kürzester Zeit gebaut wurde, war in die Jahre gekommen. Nach zweijährigen, intensiven Untersuchungen wurde festgestellt, dass die 800 Maisonettewohnungen unter Wahrung ihrer architektonischen Qualität nicht mehr wirtschaftlich darstellbar saniert werden konnten. Das Studentenwerk plante deshalb, die unter Ensembleschutz stehende Anlage im Sinne einer kritischen Denkmalpflege zu erneuern.
Eine Arbeitsgemeinschaft wurde mit der Planung des Großprojektes beauftragt: Werner Wirsing (der mittlerweile 90-jährige Architekt der Original-Wohnanlage) und bogevischs buero mit den beiden Partnern Ritz Ritzer und Rainer Hofmann sowie den Landschaftsarchitekten Keller & Damm, alle aus München.
Die Bestandswohnungen wurden bis auf 12 Beispieldenkmäler komplett rückgebaut und auf demselben Flächenareal innerhalb einer fast identischen Kubatur neu errichtet.
Um mehr Wohnraum zu schaffen und Förderungsmöglichkeiten auszuschöpfen, kam es durch eine Verringerung des Achsmaßes zu einer Nachverdichtung von 800 auf 1052 Wohneinheiten.
Die Minihäuser wurden wie damals als zweigeschossige Maisonettewohnungen konzipiert und in Sichtbetonbauweise erstellt. Pro Baufeld ist heute jeweils eine Gebäudezeile unterkellert, diese Räume werden als Heizzentrale, Übergabestation und Fahrradkeller genutzt. Durch die in der Praxis entstandenen Erfahrungen mit der Bestandswohnanlage erfuhren verschiedene Bereiche Veränderungen, die das Studentendorf zwar ähnlich, aber nicht gleich werden ließen. So wurden auch der Dämmstandard und Erkenntnisse der Bauphysik den heutigen Maßstäben angepasst.
Der wesentliche Gesichtspunkt der Originalplanung, die auf dem Gedankengut der 68iger Studentenbewegung basiert – höchste Individualität bei geringstmöglicher gegenseitiger Störung – wird beibehalten: Jedem Studierenden sein eigenes Haus – eigene Tür, eigenes Bad, eigener Briefkasten. Die wesentlichsten Aspekte der Neuplanung greifen auf den Bestand zurück: Die Gassen sind 2,30 Meter breit und bieten den informellen Kommunikationsraum, in dem jeder Bewohner sein eigenes Haus mit eigener Haustür findet, der Dorfcharakter bleibt erhalten. Jeder Bewohner hat auch in Zukunft wieder das Recht, seine Fassade selbst zu gestalten. So bleibt der Charakter der Planung garantiert erhalten.“
Die Bungalow-Eröffnung wird am 26. 10. 2009 um 14 Uhr mit einem Einweihungsfest begangen. Es spricht unter anderem der Architekt Werner Wirsing.
Zum Thema:
In der BAUNETZWOCHE#18 „Neubau der Moderne“ wird das ungewöhnliche Rekonstruktions-Projekt ausführlich dokumentiert und vorgestellt.
In der BAUNETZWOCHE#80 „Zeitmaschine Architektur“ zur Münchener Architekturwoche A4 sind Bilder vom Abriss des Olympischen Dorfes zu sehen.
...geben nicht die Meinung der Redaktion wieder, sondern ausschließlich die ihrer jeweiligen Verfasserinnen und Verfasser.
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zeitlos | 29.10.2009 09:33 Uhrmodern
eine mutige lösung mit glücklichen umständen (nicht immer lebt der 90-jährige originalarchitekt noch), die denkmalpflegerisch akzeptabel ist und zeigt, daß die qualitäten der 60/70er moderne hier als "2.0" version durchaus auch heute zeitgemäß sind...