Die Diskussion über erhaltenswerte Baudenkmale der Nachkriegsepoche wird inzwischen allerorten geführt. Mal sind Verluste zu vermelden, mal gelungene Sanierungen. Etwas aus dem Blick geraten dabei die große Masse der eher alltäglichen Bauten der 50er, 60er und 70er Jahre, die keinen besonderen Denkmalwert beanspruchen können. Sie werden vielfach abgerissen und durch Neubauten ersetzt, weil sie – angeblich – marode seien und sich eine Sanierung nicht lohne. Dass dabei vorhandene Ressourcen vernichtet werden, wird oftmals nicht einmal thematisiert.
Das Hamburger Büro eins:eins architekten hat sich mit einem solchen Bau auseinandergesetzt und eine Umwandlung des Gebäudes erreicht, mit der die Nachteile des Ursprungsbaus beseitigt wurden und das Erscheinungsbild weiterentwickelt, aber nicht völlig verändert wurde. Es geht um den Eckbau Potsdamer Straße 88/Lützowstraße im Berliner Stadtteil Tiergarten.
Wir dokumentieren die Erläuterungen der Architekten: „Der Bestand wies gestalterische, funktionale und energetische Mängel auf: Das Parkdeck im Hochparterre stand unter dem darüber liegendem Erker hervor und widersprach dessen auskragender Geste. Die Parkdeckfassade im Fußgängerbereich wirkte sehr abweisend. Die Betonfertigteiloberflächen der Brüstungen wirkten grob und schmutzig. Die gesamte Fassadengliederung ließ keine gestalterische Motivation erkennen. Die Gebäudedämmung war ungenügend. Mechanische Bauteile waren stark abgenutzt.
Die Herausforderung der Bauaufgabe bestand darin, den grobschlächtigen Bestand nachträglich aufzuwerten und der Lieblosigkeit des Ortes entgegenzuwirken. Gebäudeproportionen, Fensteröffnungen, Tragwerk und Erschließung waren durch den Rohbau weitgehend determiniert. Die Lösung wurde in einer sehr flächigen, fein detaillierten Metallhaut gefunden. Diese überdeckt den plumpen Bestand und verleiht dem Gebäude Leichtigkeit und Eleganz.
Unter Ausnutzung der Nordausrichtung konnte entlang der Lützowstraße auf außenliegenden Sonnenschutz und tiefe Leibungen verzichtet werden. Großformatige Schwingfenster wurden fast flächenbündig in die Fassadenoberfläche eingesetzt. Eine zweite Schallschutz-Glashaut vor den Fenstern an der Potsdamer Straße liegt flächenbündig in der Metallhaut. Verlaufslochungen verwischen den Übergang zwischen ganz geschlossenen und ganz offenen Flächen. Das streng geometrische Raster aus linsenförmigen Löchern wird bereichsweise in ein ornamentales Bild fliegender Blütenblätter aufgelöst. An der Gebäudeecke bildet die Lochung das hinterleuchtete Gebäudelogo aus.
Die Fassade der sechs Obergeschosse wurde in drei Streifen gruppiert: Brüstungen und Stürze wurden alternierend den darüber und darunter liegenden Fensteröffnungen zugeschlagen. Lochbleche vor Lüftungsöffnungen liegen abwechselnd links und rechts der Fenster. Der zweigeschossige Erker wird über einen Schwung der Fassade in diese Streifengliederung integriert. Die horizontalen Bänder der Bestandsfassade wurden in Fensterreihungen aufgegliedert, die geschossweise scheinbar die Richtung wechseln. Es entsteht eine Mehrfachlesbarkeit: Die Fenster können sowohl als Lochfenster, als Fensterbänder oder in der Kolossalgliederung der drei Streifen gelesen werden. Die dunklen Fensterstreifen scheinen die sibrige Metallfassade zu durchweben. Die silbrig eloxierten Aluminiumbleche reflektieren die Lichtstimmung der jeweiligen Tageszeit. Die Fassade erhält dadurch eine leicht entmaterialisierte Anmutung.
Die Betondecke des Parkdecks wurde im Bereich der Straßenecke abgesenkt, rückgebaut und in eine Ladenmietung umgewandelt. Die resultierende Freifläche wurde dem Trottoir zugeschlagen. Ein grosszügiges Foyer wurde dem Treppenhaus vorgeschaltet.“
Fotos: Stefan Dauth
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k.laus | 06.09.2011 12:15 Uhralt vs neu
der bestand ist wirklich nicht erhaltenswert. grobe proportionen, fenstergliederung wie an jedem schulbau aus der zeit, das EG wurde schon erwähnt...
der umbau macht da deutlich mehr her. auch wenn ich die horizontale zonierung fragwürdig finde. zwar wird hier mit aller kraft versucht, die proprotionen zu strecken, doch die taktung der fenster wirkt dem schon wieder entgegen. ich frage mich hier wie mein vorredner, warum nicht das fensterband wieder aufgenommen wurde?
als fazit muss man sagen, dass durch das weitwinkel geblick die hütte natürlich deutlich gewinnt. der stein der weisen ist hier trotzdem mit sicherheit nicht gefunden worden.