Das MoMA PS1 hat einen, die Serpentine Gallery in London hat einen: Jährliche, temporär errichtete Sommerpavillons sind ein bewährtes Werkzeug, um Architektur in einem Galeriekontext zu vermitteln. Anders als die von realen ökonomischen und planerischen Zwängen konditionierten Gebäude der „echten“ gebauten Umwelt, trägt der Pavillon das Potential in sich, soziale, kulturelle, politische, materielle und technische Aspekte des Bauens – manchmal stur voneinander isoliert – zu thematisieren. Mit ihm gelingt es Kuratoren und Architekten oftmals, die Komplexität eines Gebäudes in bestimmte Teilaspekte aufzubrechen und dadurch Schwerpunkte in der Architekturvermittlung zu setzen.
Von dieser Rolle des Pavillons ist auch Ewan McEoin, kuratorischer Leiter des Design- und Architekturreferats der National Gallery Victoria in Melbourne (NGV) überzeugt. Er ist Initiator der NGV Architecture Commission, die seit 2015 jährlich den Architekturwettbewerb für eine kleinmaßstäbliche Intervention im Grollo Equiset Garden neben dem Museum auslobt. Die Aufgabe: Der Park soll mit einer temporären Architektur „aktiviert“ werden, „neue Positionen in Architektur und Design“ sollen erforscht und „Innovation in der Materialnutzung, Fertigung, Nachhaltigkeit und Recyclingfähigkeit“ aufgezeigt werden. Die Erfolge der Serpentine Gallery und des MoMA PS1 nennt Ewan McEoin als wegweisend. Positionieren sich die beiden prominenten Vorbilder mittlerweile programmatisch recht klar – das MoMA PS1 sucht junge Talente, die Serpentine Gallery meist renommierte Vertreter der Disziplin – steht die NGV Architecture Commission jungen wie etablierten Architekten gleichermaßen offen gegenüber.
Dieses Jahr wird der Pavillon zum dritten Mal realisiert. Letztes Jahr gewannen M@STUDIO Architects (Sydney) mit einer Installation, die den Dimensionen einer existierenden Autowaschanlage in Blackburn, einer Vorstadt Melbournes, nachempfunden ist. Die Arbeit „Haven’t you always wanted...?“ wurde von Forschern, Professoren und Graduierten der RMIT University Melbourne entwickelt und materialisiert deren Überlegungen zu „uneindeutigen Objekten“. Ein alltäglicher Zweckraum wie eine Waschanlage wird in einen innerstädtischen Museumskontext transplantiert. Im Garten des NGV wird die Autowaschanlage zu einer Art Folly – ihrer Funktion befreit. Die Banalität der Suburbia wird mit billigen, vorgefertigten Materialien, wie zum Beispiel Cricket-Netzen, gefeiert.
Wie kürzlich bekannt gegeben, wird der Pavillon in diesem Jahr von Retallack Thompson (Sydney) zusammen mit Other Architects (Sydney) ausgerichtet. Die Jury aus Jill Garner, Corbett Lyon, Ewan McEoin, Amy Muir und SueAnne Ware wählte das Projekt in einem offenen, zweiphasigen Wettbewerb aus. Die Architekten werden im Grollo Equiset Garden ein Labyrinth aus 260 mit weißem Metallgewebe bespannten Wänden installieren. Die „Garden Wall“ betitelte Intervention inszeniert die Entdeckung des Gartens durch den Besucher. „Um den NGV Garten sichtbarer zu machen, müssen wir ihn erst unsichtbar machen“, fasst David Neustein von Other Architects die Entwurfsstrategie zusammen. In Ergänzung zu den wahrnehmungstheoretischen und poetischen Erklärungen der Architekten sieht Tony Ellwood, Direktor der NGV, den diesjährigen Pavillon auch als Gegenwartsanalyse: Er sieht in ihm das Potential für eine Diskussion über Wände, Raumteiler, Zäune und deren Bedeutung für globale Bewegungen von Menschen. Die Pavillonarchitektur schafft beides. (df)
Fotos: Nils Koenning
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