Das Gruuthusemuseum in Brügge ist denkbar einfach zu finden. Es liegt direkt neben der Liebfrauenkirche, deren weithin sichtbarer Backsteinturm mit beeindruckenden 115 Metern hoch über der südlichen Innenstadt aufragt. Nach umfangreicher Sanierung, Umbau und Erweiterung durch noAarchitecten (Brüssel) konnte das Museum Ende 2019 wieder eröffnet werden. Der nach außen sichtbarste Teil ist ein neuer Pavillon zwischen dem historischen Stadtpalais und der Kirche, der nun beiden Sehenswürdigkeiten als Shop, Eingangs- und Informationsportal dient.
Das Museum befindet sich im Stadthaus, das sich Lodewijk van Gruuthuse im 15. Jahrhundert neben die Kirche bauen ließ. Seit der Entstehung ist das Palais mehrfach umgebaut worden, am drastischsten im 19. Jahrhundert nach dem Erwerb des Hauses durch die Stadt, geleitet durch den Stadtarchitekten Louis Delacenserie. Er gestaltete das Haus in einem verklärenden Historizimus und ließ es damit mittelalterlicher wirken als jemals zuvor. Besonders eindrucksvoll ist die neogotische Fassade mit ihren Giebelfenstern und Türmchen sowie dem reich geschmückten Eingangsportal zum gepflasterten Stadtplatz. Das Gebäude wurde zunächst als archäologisches Museum, dann als Stadtmuseum genutzt.
„Das Museum ist in der Mitte des 20. Jahrhunderts erneut umgestaltet worden“, so noAarchitecten, „aber es waren vor allem Delacenseries Umbauten, auf die wir unsere neue Szenografie beziehen.“ Erneut ist das Haus jetzt mit seiner Raumfolge integraler Teil der Sammlungspräsentation. Die Räume wurden in eine zeitliche Folge eingeordnet, in der sich drei wichtige Epochen der Stadtgeschichte seit dem 15. Jahrhundert spiegeln. Alle Objekte – Wandteppiche, Skulpturen, Möbel, Porzellan, Gemälde, Geschirr – korrespondieren mit den Räumen, die wieder in kräftigen Farben gestrichen wurden. Diese wiederum beziehen sich auf die Farben der Bodenfliesen oder der Fenstermalereien – welche Elemente dabei aus welcher Epoche genau stammen, ist mitunter absichtlich schwer auszumachen.
Als eindeutig zeitgenössische Erweiterung schließt nun ein Pavillon aus gefalteten Stahlblechen den Stadtplatz nach Südwesten ab. Dieser Pavillon bezieht sich im Grundriss auf ein historisches Gebäude, dass bis ins frühe 20. Jahrhundert hier gestanden und den Platz gegen die Kirche und deren Friedhof abgeschlossen hatte. Das mehrfach gefaltete Dach sehen die Architekten als „Echo der gotischen und neogotischen Formen des umliegenden Ensembles“ und gleichzeitig als stabile Struktur, die wie ein Exoskelett ein helles, offenes Inneres ermöglicht. Durch die Verglasung der Zwischenräume wirkt der Pavillon transparent und fast durchlässig. Tatsächlich ist der fünfte Bogen offen wie ein kleines Stadttor, er bildet die Passage vom Gruuthus zur Kirche. (fh)
Fotos: Karin Borghouts
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latimer | 24.02.2020 21:04 UhrGotisierend gefaltet
Grandios!
Die noArchitekten sollten öfters mal zu deutschen Projekten eingeladen werden, damit man hierzulande vielleicht mal von Würfelhusten wegkommt!