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25.10.2016

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Kuriose Kammern mit neuem Stoff

Museumsumbau in Braunschweig von Kuehn Malvezzi


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Es ist wie bei alten Gemälden: Werden sie restauriert, so wird nicht nur das Original aus vergilbten Farbschichten und Staubkrusten hervorgeholt, sondern es zeichnet sich auch immer eine Interpretation des Kunstwerks zum Zeitpunkt der Restaurierung ab. Kuehn Malvezzi (Berlin) haben diese Diskrepanz zwischen dem Originalzustand und dem späteren Blick auf das Original zum Konzept erhoben, als sie für die bedeutende Sammlung des Herzog Anton Ulrich-Museums in Braunschweig eine neue Ausstellungsarchitektur entwickelten. Mit ihrer Neupräsentation der Sammlung rufen sie eine vergangene Museumsarchitektur wach und bringen sie mit einem zeitgenössischen Ausstellungsverständnis in Verbindung. Dabei stellen sie zwei Zeitebenen gegenüber: den Ursprung des Gebäudes, das der Semper-Schüler Oskar Sommer 1887 fertigstellte, und die Gegenwart. Hinzufügungen und Einbauten aus anderen Phasen entfernte das Büro, um mit neuen Farben, Strukturen und Leitsystemen sowie dem restaurierten Bestand der Inneneinrichtung die zwei Zeitebenen klar herauszuarbeiten.

Die einzelnen Räumlichkeiten des Baus variierte Oskar Sommer je nach Kategorie der Sammlung – Kunstgewerbe, Kupferstichdrucke, Gemälde oder Skulpturen. Auch Kuehn Malvezzi passten die Neugestaltung ihrer Präsentation an die Art der Sammlung an. Für die Exponate, die einst zu den Wunderkammern der Herzöge gehörten, jene persönlichen Kabinette der Renaissance zur eigenen Forschung und Unterhaltung, entwarf das Berliner Büro ebenso intime Räumlichkeiten. Neue Vitrinen, Sockel, Podeste und raumbildende Einbauten fügten sie zu einer kleinteiligen Architektur zusammen. Für die grafische Sammlung entwickelten sie eigene Schaukästen, die auf die Ausstellung speziell von Drucken ausgerichtet sind. Andere Räumlichkeiten hingegen, wie den Ausstellungssaal im Erdgeschoss mit seinen alten Vitrinen und die Galerien im 1. Obergeschoss, die Oskar Sommer als frühes Beispiel der später weit verbreiteten Museumsräumen mit Oberlicht entwarf, reduzierten Kuehn Malvezzi auf den Originalzustand, ohne zeitgenössische architektonische Zusätze.

Das gesamte Innere des Museumsbaus gestalteten die Architekten mit einem recht mutigen Farbkonzept neu. Weit weg von der jetzigen Vorstellung weißer Wände für die Kunst, griffen sie auf die farbigen Museumsräume aus der Zeit Oskar Sommers zurück. Trotzdem gaben sie ihren bunten Wänden eine zeitgenössische Note, wenn sich die neue Farbpalette vom warmen Rot bis zum kühlen Blau deutlich von der Originalgestaltung absetzt. Gleichzeitig stimmten sie die Farbtöne klar mit den Exponaten ab, etwa ein sanftes Grünblau für die bedeutende Sammlung von Rembrandts, Vermeers oder Rubens in der Gemäldegalerie.

Wunderkammer, Grafische Sammlung, Oberlicht-Galerie oder die Musealisierung der originalen Räumlichkeiten von Oskar Sommer – viele Funktionen erfüllt die Neupräsentation der historischen Sammlung im Herzog Anton Ulrich Museum. Um alle miteinander visuell zu verbinden, griffen Kuehn Malvezzi erneut zur Farbe: ein warmneutrales Grau, genauer: der Ton NCS S 5005-Y20R, zieht sich als Leitmotiv durch Flure, Türen und Einbauten. (sj)

Fotos: Ulrich Schwarz


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Kommentare
...geben nicht die Meinung der Redaktion wieder, sondern ausschließlich die ihrer jeweiligen Verfasserinnen und Verfasser.

7

JKarch | 27.10.2016 16:38 Uhr

@ Fred Konkret

Eine erfrischend moderne (und freundlich-positive) Stimme im ansonsten so konservativ-reaktionären bis nörglerisch-kulturpessimistischen (weißen) Retrorauschen der Baunetzkommentare...

Meinetwegen sollten Sie hier gerne öfter kommentieren;-)

6

Fred Konkret | 26.10.2016 12:26 Uhr

@Wahlschweizer

Warum sollte man die Materialien zeigen, die sich hinter einer lackierten Fläche befinden - MDF - ergibt sich daraus ein Mehrwert der Erkenntnis?
Ist die Fügung der Dinge nicht Schnee von Gestern, als der Handwerker manche Dinge einfach nicht besser hinbekam, da ihm die Werkzeuge und das Know How gefehlt haben?
Vorallem, wenn man weiß, dass das Zeigen der Fügung keine technische Notwendigkeit mehr darstellt, sondern offenbar nur eine didaktische Funktion hat.
Das ist wie mit den Glasscheiben, früher waren die Felder kleiner, da größere Formate nicht herstellbar waren (z.B. alte Kirchen- oder Industriegebäudefenster) heute sind sie ohne Unterteilung bis ca. 3x8m herstellbar. Vermissen Sie da auch den Tiffany-Look?
Warten Sie einfach mal ab, wenn die Vitrinen und Regale gefüllt sind, das ist der Raumeindruck über den wir diskutieren sollten.

5

R. Liebig, Braunschweig | 26.10.2016 11:50 Uhr

Kuriose Kammern mit neuem Stoff

Die leeren Vitrinen und Schaukästen müssen natürlich, genauso wie die Räume, mit Leben respektive Inhalt gefüllt werden. Dafür wurden sie gemacht und nicht für intellektuelle Klimmzüge. Architektur ist immer kommerziell, dem kann sie nicht entgehen. Das schließt allerdings nicht zwingend aus, dass sie gelegentlich auch die Nutzer erfreut und nicht nur dem Kommerz frönt.

4

Wahlschweizer | 25.10.2016 21:30 Uhr

@ Fred Konkret

Ich vermisse keine Schrauben und das die Hobelspäne vor dem Fotografieren weggefegt wurden find ich ganz in Ordnung. Was ich vermisse ist ein Eindruck wie hier die Dinge gefügt wurden. Welche Materialien sich hinter den monochromen Farbflächen verbergen. (Das Glas habe ich erkannt). Auch ein Gefühl von Wertigkeit. Wo von es mehr als genug hat sind allerdings Fugen. Immer raumhoch. Ab und zu unterstützt von horizontalen den kompletten Raum durchschneidenden. Ein Raster gefüllt mit bunten Panelen. Banal

3

Fred Konkret | 25.10.2016 19:13 Uhr

@falk berlin

Vermissen Sie hier Schrauben und Hobelspäne, das Zelebrieren des Banalen?
Ich habe es immer als eine hohe Kunst begriffen, die Bauteile so zu beherrschen, dass alles Unwesentliche in den Hintergrund rückt, damit der Kunst ein angemessener Rahmen zur Verfügung steht, wo sie sich dann frei entfalten kann.



2

Rudolf Lamprecht | 25.10.2016 17:18 Uhr

Architekturfotografie

Alles rasch fotografieren, bevor die so wichtige Architektur durch Exponate (und Menschen) verhunzt wird. Das erste Bild scheint wohl ein Irrtum zu sein.

1

falk berlin | 25.10.2016 16:06 Uhr

virtual reality

woher kommt eigentlich dieser Drang, dass alles aussehen soll, wie Bilder von Thomas Demand?

versteht man hier den Unterschied nicht?

das eine ist ein Bild, dass eine Tendenz in der Gesellschaft darstellen will - das andere ist ein Raum,

diese Art von virtuell anmutenden Räumen werden wohl nur produziert, um gut publizierbar zu sein,

wenn alles nur noch der Vermarktung unterworfen ist, machen die Architekten artig mit,

leider sind auch Architekten nur sehr angepasste Konsumenten,



 
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