Mit Erweiterungsbauten ist es immer so eine Sache: Entweder sie passen sich wie ein Chamäleon an den Bestand an und führen das ursprüngliche Konzept im zeitgenössischen Gewand weiter, oder sie bilden einen lautstarken Kontrast, der als Fremdling niemals übersehen werden kann. Einen ebensolchen „Friendly Alien“ hat das holländische Büro Bierman Henket Architekten (s'Hertogenbosch) in der einstigen Hansestadt Zwolle landen lassen.
„Das Auge“ nennt das Museum de Fundatie seinen ellipsenförmigen Aufbau auf dem Dach, der von Weitem an einen gläsernen Rugby erinnern mag. Seit Ende Mai ist das markante, mit unzähligen weiß-blauen Fliesen belegte Riesenei das neue Wahrzeichen von Zwolle und bietet zugleich tausend Quadratmeter neue Ausstellungsfläche. Kein Wunder also, dass Bierman Henket damit auf der Dutch Design Week, die am Sonntag zu Ende ging, für Aufmerksamkeit sorgten und das ungewöhnliche Projekt seitdem durch die internationalen Architekturportale tourt.
Der Bestandsbau am Blijmarkt war keine einfache Basis für eine Erweiterung. Bereits 2005 war der ehemaligen Gerichtshof, ein Gebäude von Eduard Louis Coninck aus dem Jahr 1938, von dem Architekten Gunnar Daan umgebaut worden und dient seitdem als neue Ausstellungsfläche für das Museum. Angelegt mit einer doppelten Symmetrie, einem monumentalen Eingangsportal im Stil des Neoklassizismus sowie einer zweigeschossigen, zentralen Eingangshalle, sollte der Charakter des Solitärbaus erhalten bleiben – ein klassischer Anbau kam also nicht in Frage.
Bierman Henket, die auch die Anbauten im Museumsquartier in s'Hertogenbosch realisiert haben, konnten das Museum überzeugen, das ehemalige Gerichtsgebäude in die Vertikale zu erweitern und mit einem autonomen Baukörper auf dem Dach zu krönen. Dieser Aufbau ist im Grundriss ebenfalls in zwei Richtungen symmetrisch, erinnert formal aber eher an eine ellipsenartige Blase. Die beiden völlig unterschiedlichen Baukörper sollen zusammen eine neue urbane Einheit bilden, erklären die Architekten, „mit dem Ziel, zeitgemäße und alte Kunst in einem Gebäude zu verbinden“.
Im Inneren gibt es ebenfalls einen Kontrast. Die klassische Raumabfolge der rechteckigen Ausstellungshallen in der unteren Ebene wird von dem fließenden offenen Raum im Obergeschoss gebrochen. Die Treppen, in dem Bestand gerade und monumental, sind in dem Neubau leicht und gerundet – sie passen sich der äußeren Hülle an.
Konstruktiv berührt „Das Auge“ den Bestand nicht und bleibt damit strukturell und architektonisch unabhängig vom Altbau. Das zentrale Atrium wurde nach oben geöffnet, hier verbindet ein gläserner Lift die einzelnen Geschosse. Die Fassade, mit 55.000 dreidimensionalen, blauen und weißen Keramikfliesen verkleidet, soll den Neubau wie eine abstrakte Wolke über der Altstadt von Zwolle schweben lassen. Könnte schön sein – wenn das blauschimmernde Panoramafenster nicht wie ein Facettenauge aussehen würde.
Zum Thema:
Mehr über das vielseitige Fassadenmaterial im Baunetz Wissen Fliesen.
Auf Karte zeigen:
Google Maps
...geben nicht die Meinung der Redaktion wieder, sondern ausschließlich die ihrer jeweiligen Verfasserinnen und Verfasser.
4
karlo | 30.10.2013 11:39 Uhrhmhm
issjakrass in dem Café auf Bild 8 war ich vor ~zwei Jahren, da stand da nicht mal ein Bauzaun. Müssen die extrem schnell hochgezogen haben.
Die Fernwirkung finde ich eigentlich top. Es bricht mit der Postkartenromantik und gibt Zwolle ein Element, das es von den 10000 anderen Holländischen Backsteindörfchen am Kanal abhebt.
Aus der Nähe jedoch finde ich es nicht ganz so glücklich. Das Fenster wirkt fehl am Platz und gibt dem eigentlich maßstabslosen und misteriösen Körper eine Profanität, Greifbarkeit und Schwere, die nicht nötig war. Dadurch drückt der Körper stark auf den darunter liegenden Bau. Sehr Schade. Shoppt mal das Fenster raus aus Bild 8, dann wird das eine ganz andere Nummer. Sehr schade.
Trotzdem ein mutiger Schritt von allen Beteiligten. Kann ich prinzipiell nur begrüßen.