Ein Projekt, dessen Logik sich am besten im Schnitt vermittelt: Was auf den ersten Blick wie die moderne Erweiterung eines historischen Gebäudes wirkt, ist tatsächlich ein Totalumbau. Alt und Neu wurden hier in Cambridge von Renzo Piano zu einem radikalen Hybrid verschmolzen, der die drei Kunstmuseen der Harvard University beherbergt. Was aus welcher Zeit stammt, verrät sich im Plan nur durch Fassadendetails, denn die Geschosshöhen wie die Raumproportionen des Bestands wurden von Piano abstrakt gespiegelt.
Der Neuorganisation durch Piano ging ein längerer Architekturkrimi voraus, in dessen Zentrum ein erst 1991 errichteter, vom deutschen Unternehmer Werner Otto finanzierter Museumsflügel stand. Dessen Architektur stammte von Gwathmey Siegel, das Gebäude litt allerdings von Anfang an unter schweren bauphysikalischen Problemen, was zu langen Rechtsstreitigkeiten und schließlich zum Abriss führte.
Interessant ist dabei, dass sich Pianos Entwurf mit seiner zurückhaltenden Spätmoderne zumindest ästhetisch nicht sehr weit von der Anmutung der früheren Werner Otto Hall entfernt. Die Gebäudekonfiguration ist natürlich eine ganz andere, aber die Entwürfe ähneln sich in ihrer betont kantigen Verschlossenheit, die zugleich auch etwas antiquiert wirkt. Im Gegensatz zur radikalen Intervention im Inneren fehlte hier jedenfalls der Mut – anders als zum Beispiel beim benachbarten Carpenter Center von Le Corbusier.
Dafür überzeugt Pianos räumliche Organisation der drei Museen, die nun erstmalig an einem Ort versammelt sind. Der Innenhof des Altbaus von 1927 wird durch einen pyramidalen Glasüberbau in ein hohes Atrium verwandelt, um das herum sich zwei neue Galerien entfalten. Die Glaspyramide krönt zugleich auch die fensterlose Box des Neubaus und beherbergt neben der sogenannten Lightbox Gallery auch ein Studienzentrum sowie eine Forschungseinrichtung für Konservierung und Restaurierung.
In den unteren Geschossen des Neubaus befinden sich weitere Ausstellungsflächen, die durch ein großes Auditorium und sowie zusätzliche Seminarräume ergänzt werden. Die Erschließung aller Gebäudeteile erfolgt durch eine Mittelachse samt einem zentralen Treppenhaus, das zugleich die Naht zwischen Alt und Neu bildet. Diese Unterscheidung ist allerdings nur noch von formaler Bedeutung, denn jenseits der Fassade präsentieren sich die drei Museen zur Eröffnung am kommenden Sonntag frei von jeglichem historischen Ballast. (sb)
Fotos: Peter Vanderwarker, Nic Lehoux, Michel Denance, Zak Jensen, Antoinette Hocbo
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