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17.06.2016

Schweizer Beton-Mystik

Museumsbau von studio inches


Das ist der Zumthor-Effekt, der womöglich nirgends so gut wie in einem Schweizer Dorf inszeniert werden kann: Ein monolithischer Baukörper mit einem streng ausgeformten Dach aus Granit zieht sich entlang eines alten Felsmauerwerks. Ein kleines Fenster schneidet sich an jeder Front in die massive Wand, deren grober Waschbeton die rauhe Materialität der denkmalgeschützten Straßenmauer aufnimmt. Karg und reduziert ist dieser kleine Museumsbau in Minusio, der von studio inches architettura aus Locarno errichtet wurde. Doch trotz seiner modernistischer Züge trifft er einen tief romantischen Nerv. Denn beim Anblick dieses Gebäudes weiß man nicht so recht, ob sich hier eine heidnische Kultstätte aus Urzeiten erhalten hat oder ob ein hölzernes Dorfhaus wie verflucht zu Stein erstarrte.

Auch der Hintergrund dieses Kleinods im Kanton Tessin ist mit Wünschen und Erinnerungen verbunden. Die nunmehr über achtzig Jahre alte Tochter des Archäologen und Künstlers Aldo Crivelli möchte mit ihrem Mecrì-Museum die Arbeit ihres Vaters vorstellen und zugleich ihrer früh verstorbenen Tochter gedenken. Bereits 2014 konnte Matteo Inches für die Bauherrin ein altes Wohnhaus in das Hauptgebäude des Museums verwandeln. Nun folgt die Erweiterung dieses Ortes, der Denkmal und Ausstellungshalle zugleich ist.

Das Innere des Neubaus besteht aus einem einzigen Raum. Seine offenes Dach spitzt sich in neun Metern Höhe zu. Die Scheitelachse besteht dabei aus einem Glasstreifen, der  – wie in einem Tempel – einen mystisch inszenierten Lichtstrahl in das geschlossene Volumen lässt. Auch den Bestandsbau reduzierte Inches aufs Elementare – klares Raster, quadratische Fenster, weißer Putz – doch ist das nicht vergleichbar mit der Verwunschenheit des Neubaus, dessen steinerne Strenge sich dem verwitterten alten Gemäuer fügt. (sj)

Fotos: Simone Bossi


Zum Thema:

Weitere minimalistische Umbauprojekte auch in der Baunetzwoche#439: Weiterbauen. Denkmalschutz ohne Denkmalpfleger


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