„Differenziert nicht nach Kirche oder Moschee. Die Religion des Albaners ist das Albanertum.“ Das soll der albanische Nationaldichter Pashko Vaza (1825 – 1892) einmal gesagt haben. Ein halbes Jahrhundert später erhob der Diktator Enver Hoxha nicht das Albanertum, sondern den Kommunismus zur Religion. Mit Vehemenz: Gotteshäuser aller Glaubensgemeinschaften – Sunniten, Bektaschi, Katholiken und Orthodoxe – wurden vernachlässigt. Sogar der Konsum von Alkohol und Schweinefleisch wurde gefördert, um die Religion aus dem Alltag zu verdrängen. Doch trotz Hoxhas sekulärer Hardliner-Politik konnte in der südalbanischen Stadt Korçë eine beachtliche Kollektion orthodoxer Ikonen erhalten werden. Mehr als dreißig Jahre nach Hoxhas Tod hat diese Sammlung, die die größte Europas sein soll, nun ein Museum erhalten.
Der neue Museumsbau war jahrelang eine verlassene Struktur, die noch aus kommunistischen Zeiten stammt. Die Architekten des albanischen Büros DEA Studio (Tirana) ertüchtigten die vorhandenen Baufragmente und vervollständigten sie. Bolles+Wilson (Münster) übernahmen im Auftrag der Stadt Korçë den Innenausbau zu einem Museum. Nicht einfach waren wohl die Bedingungen, die Bolles+Wilson zu Beginn ihrer Arbeit vorfanden: Schwere, dicke Wände und nur einige wenige Fensteröffnungen. Den Bau unterteilte das Duo schließlich so, dass das Archiv und die Labor- und Verwaltungsräume im Untergeschoss und Erdgeschoss klar von der Ausstellung getrennt sind.
Die Ausstellung selbst führt vom Eingangsniveau ins erste Obergeschoss und wieder zurück. Sie ist in mehrere Zonen unterteilt, die durch stark kontrastierende Farben markiert sind. Von einem lockeren Entrée wird der Besucher direkt zu einem spektakulären Anblick geführt: Ein 9,50 Meter hoher Raum mit einer großen Anzahl Ikonen, dicht nach Petersburger Art gehängt, präsentiert sich goldfarben. Eine anschließende, weiße Empore ist der neutrale Übergang zu einem weiteren wuchtigen Raum: das Schwarze Labyrinth – die zentrale Zone des Museums. Dunkel und mysteriös erscheinen hier individuell beleuchtete Ikonen auf Wänden, die abwechselnd matt und glänzend schwarz sowie grau bemalt sind. Der dunkle Parcours mündet in einen roten Salon, wo die religiösen Kunstwerke für die intime Betrachtung inszeniert sind. Der finale Ausstellungsraum ist komplett in Weiß gehalten – mit einer Lichtdecke für die beiden wertvollsten Ikonen aus dem 14. Jahrhundert.
Obwohl zunächst nicht Teil des Auftrags, geht auch das Fassadenkonzept auf Bolles+Wilson zurück. Dazu gibt es eine Anekdote: Die Arbeiter, die an den Umbauarbeiten von DEA Studio mitgewirkt haben, sollen das entstehende Gebäude seiner rustifizierten Steinfassade wegen für ein Gefängnis gehalten haben. Diese dunkle Assoziation musste sofort abgewendet werden, zu tief sitzen die Erinerungen an die Gefängnisse der Hoxha-Diktatur. Der Premierminister persönlich soll daraufhin Bolles+Wilson beauftragt haben, die Steinfassade zu verändern. Jetzt gibt es große, schwarze Carrées auf dem grauen Stein. (sj)
Fotos: Roman Mensing
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0815 Architekt | 23.11.2016 09:02 UhrMeiner Ansicht nach...
wird hier wenig Respekt vor den ausgestellten Ikonen gezeigt. Für mich ein wildes Farb-, Material-, Haptik-Potpourri, das sich in den Vordergrund drängt. Aber vielleicht steckt ja ein Gedanke dahinter, der im Bericht nicht rauskam...