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24.07.2017

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Geschlitzte Düne

Museum von BIG an Dänemarks Westküste


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Von Friederike Meyer

Tirpitz heißt nicht nur eine Bunkeranlage aus dem Zweiten Weltkrieg, die die Deutschen an Dänemarks westlichstem Punkt bei Blåvand in die Nordseedünen gebaut haben. Tirpitz ist auch ein Museum, das nach Plänen von BIG (Kopenhagen) am selben Ort entstand und Anfang Juli eröffnet hat. Seitdem stehen die Besucher in der bei Urlaubern beliebten Region Schlange. Um es gleich vorweg zu nehmen: Das Museum wird Preise abräumen. Dafür gibt es mindestens vier Gründe.

Da ist erstens die starke und mehrdeutige Symbolik. Die Architekten um Bjarke Ingels haben das Museum, ähnlich wie beim 2013 eröffneten Dänischen Seefahrt-Museum in Helsingør, im Erdboden versenkt – oder vielmehr: unter einem begehbaren Dünenhügel versteckt. Sichtbar allein sind vier Wege, die die Düne schlitzen und sich auf einem Platz treffen. Obwohl Fotos zeigen, wie der Sandberg neben dem Bunker für die Konstruktion vollständig abgetragen wurde, kann man im fertigen Bau den Respekt vor der Landschaft lesen. Auf dem nächtlichen Luftbild wird wahlweise ein luxuriös beleuchteter Ort, an dem sich Fuchs und Hase gute Nacht sagensichtbar, oder ein rotiertes Kreuz – ohne Haken. Bjarke Ingels bezeichnet den Bau als „Antithese zur hermetischen Nazifestung“. Sicher ist: Das Ganze wirkt in keinster Weise so, als würde man hier die Geschichte unter den Sandteppich kehren wollen.

Zweitens: Die Architektur. Sie ist pragmatisch in ihrer Materialität und großzügig hinsichtlich des Raums. Stahl, Holz und Glas dominieren im Inneren. Während an den Schnittkanten der Wege das in der baulichen Vergangenheitsbewältigung beliebte Cortenstahl zum Einsatz kommt, sind die Schnittflächen großflächig verglast, um Licht in die vier darunter liegenden Ausstellungsräume zu bringen. Die Elemente sind bisweilen recht rustikal verarbeitet: Die Stahltreppe, die nach unten führt, die Stahlplatten am Boden und an den Wänden, die, außermittig gelagert, wie Türen aufgeschoben werden und das Schlitzmotiv wiederholen, das Kopfholzpflaster in den Ausstellungsräumen. Das alles passt wunderbar zur Thematik. Schließlich geht es hier weder um Kabinette für wertvolle Kulturgüter, noch um eine möglichst eigenschaftslose Umgebung für zeitgenössische Kunst. In Tirpitz wird die bewegte Geschichte einer Region erzählt, die vom und mit dem Meer, dem Sand und dem Wind lebt.

Womit wir beim dritten Grund wären. Angesichts des Bunkers könnte man eine Ausstellung für Freunde der Militärgeschichte erwarten. Doch Tirpitz ist vielmehr ein Heimatmuseum der dänischen Westküste. Inszeniert von dem niederländischen Büro Tinker Imagineers (Utrecht), erzählt es auf 2.800 Quadratmetern von Seenotrettung, Bernsteinsammlern, Touristen und den Facetten der deutsch-dänischen Geschichte. Die Kriegszeit wird in einem von vier Räumen anhand einzelner Protagonisten als emotionales Erlebnis erzählt – auch aus Sicht der Kinder und der Frauen, von denen sich rund 50.000 im besetzten Dänemark mit deutschen Soldaten einließen. Es gibt zu hören, zu schauen, zu fühlen, zu lernen und ja – zu staunen. Digitale und akustische Medien sind sparsam eingesetzt, angesichts heutiger technischer Möglichkeiten eine Wohltat.

In Tirpitz, und das ist der vierte Grund, wirken Architektur und Ausstellung wie aus einer Hand. Das erlebt man in Museen leider nicht allzu oft. In Form und Material nehmen die eingestellten Räume – zum Beispiel begehbare Bernsteine oder Bunkerreste – die zackige Architektur auf oder die Wände werden zur Projektionsfläche für einen Film, der den ganzen Raum zum Kino macht. Immer aber bleibt Zeit, das gerade Gehörte zu verarbeiten, sich zu orientieren, ohne gleich vom nächsten Spektakel überrascht zu werden. Das zeigt sich nicht zuletzt im Bunker, durch den ein wirkungsvoll beleuchteter Weg mit Haltepunkten für den Audioguide führt.

Schlicht, geradlinig und mutig, so beschreibt die Ausstellung die Bewohner der Westküste Dänemarks. Für die Architektur ihres Heimatmuseums gilt dies ebenso. Es ist ein Haus, das man kaum in Bildern erzählen kann, ein Haus, das man erleben muss.

Fotos: Mike Bink, Laurian Ghinitoiu, Rasmus Hjortshoj, Colin Seymour


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Kommentare
...geben nicht die Meinung der Redaktion wieder, sondern ausschließlich die ihrer jeweiligen Verfasserinnen und Verfasser.

2

0815 Architekt | 25.07.2017 12:08 Uhr

zu hohe Töne..

... in denen der Bau hier gelobt wird - meines Erachtens.
Die Wahl der Grundrissgraphik im rotierten Kreuz -wenn auch ohne Haken- gibt Rätsel auf und wirkt auf mich deplatziert, wenn keine Absicht dahinter steckt.

1

Stefanie Meyer | 24.07.2017 22:48 Uhr

Mehr Fotos

50 Fotos reichen nicht, es müssen mehr sein mindestens 200.

 
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