Dient ein Gebäude der Kunst oder inszeniert es nur sich selbst? Das ist die entscheidende Frage bei jedem Museumsneubau, insbesondere dann, wenn ein reicher Sammler als Bauherr möglicherweise eher repräsentative Interessen verfolgt. Bei ihrem Long Museum am westlichen Bund in Shanghai finden die Architekten von Atelier Deshaus (Shanghai) eine meisterhafte Lösung für diese Herausforderung. Das Gebäude wirkt wie monumentaler Naturraum, in dem das explizit Menschgemachte der Kunst diese wie von selbst in den Vordergrund stellt.
Das Museum ist der zweite Bau, den das Sammlerpaar Liu Yiqian und Wang Wie innerhalb weniger Jahre errichten ließ. Gelegen mitten im sogenannten West Bund Culture Corridor, entstand es auf dem Gelände eines alten Kohlehafens, von dem noch die monumentale Transportbrücke zeugt. Diese wurde in Form eines öffentlichen Durchgangs in das Gebäude integriert, der zugleich den Grundriss programmatisch in einen Service- und einen Galerientrakt unterteilt.
In der Ansicht wirkt der Neubau fast, als habe man Louis Kahns berühmtes Kimbell Art Museum ein wenig platt gedrückt und gestapelt, wobei aus den länglichen Gewölben hier selbsttragende Wandfragmente wurden, die Atelier Deshaus als Schirme bezeichnet. Mit ihrer Höhe von zum Teil über zehn Metern wirken sie schon aus sich heraus beeindruckend, das besagte Gefühl einer archaischen Großmaßstäblichkeit stellt sich aber erst durch ihre unregelmäßige Anordnung ein. So entsteht ein fließender Raum, der auch dank der Oberlichter zwischen den Schirmen wirkt, als befände man sich in einem Wald zu Füßen riesiger Bäume.
Die ungewöhnliche Architektur ist jedoch nicht allein das Verdienst von Atelier Deshaus, auch die Vergangenheit des Grundstücks hat ihren Teil beigetragen. Statt eines Museums sollte hier vor ein paar Jahren ein großes Parkhaus entstehen, dessen schon fertig gestellte Fundamente jetzt integriert wurden. Diese geben nicht nur den Rhythmus und die Spannweiten der Gewölbe vor, sie wurden auch als „versunkene“ Galerien östlich des Hauptgebäudes integriert.
Die Überreste des Industrie- wie auch des Automobilzeitalters verbinden sich also hier am Ufer des Huangpu zu einem wegweisenden Meisterwerk, auch wenn beides, die Industrie wie auch das Auto, in China noch auf lange Zeit hoch im Kurs stehen werden. (sb)
Fotos: Xia Zhi, Su Shengliang
Zum Thema:
www.thelongmuseum.org
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Bernd das Brot | 04.09.2014 12:55 Uhra great leap forward
Sie holen auf.
Überraschend gut.
Bald werden die Expat Architekten des Landes verwiesen.