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31.03.2025

Waldrand aus Stahl

Museum in Polen von Tremend Studio


Die Kreisstadt Augustów im äußersten Nordosten Polens war im Juli 1945 Schauplatz der „Razzia von Augustów“. Sowjetische und prokommunistische polnische Sicherheitskräfte verhafteten in wenigen Tagen etwa 7.000 Menschen auf der Suche nach antikommunistischen Partisanen. Rund 600 Menschen wurden verschleppt, ihr Schicksal konnte nie aufgeklärt werden, unter anderem auch, weil die Verbrechen der Sowjettruppen oder polnischer Sicherheitskräfte in der Volksrepublik Polen bis in die 1980er-Jahre tabuisiert wurden.

Eine Aufarbeitung dieser Kapitel der polnischen Geschichte begann erst in den letzten 20 Jahren. In diesem Rahmen eröffneten nun auch ein Museum und eine Gedenkstätte für die Opfer der Razzia in Augustów. Das Projekt umfasst drei Teile. Die Sanierung eines historischen Stadthauses aus dem Jahr 1900 und die Pläne für einen Neubau übernahm das Büro Tremend Studio (Warschau/Breslau). Das dritte Element, eine Erinnerungsmauer im Gedenken an die Opfer der Razzia, gestaltete der Künstler Tomasz Trzupek.

In dem Stadthaus hatten nach dem Zweiten Weltkrieg erst der russische Geheimdienst, dann die polnische Geheimpolizei ihre Zentralen. Im Keller fanden 1945 auch Verhöre der Augustów-Razzia statt, bei denen Verhaftete gefoltert und zu Geständnissen gezwungen wurden. 2011 unter Denkmalschutz gestellt, wurde das Gebäude zehn Jahre später von dem unter der rechtsnationalen PiS-Partei gegründete Witold Pilecki-Institut erworben, um darin die Gedenkstätte und das Museum einzurichten.

Das Haus wurde sorgfältig restauriert, im Keller wurden die Reste der ehemaligen Zellen wieder freigelegt. Die räumlichen und technischen Anpassungen an die neue Nutzung als Museum habe man auf ein Minimum reduziert, so die Architekt*innen. Rückseitig wurde an den Bestand ein Erweiterungsbau angefügt, der sich mit seinem Satteldach und seiner Größe am Altbau orientiert.

Die auffallende Fassadengestaltung mit vertikalen Aluminimumlamellen stellt jedoch eindeutig einen Bezug zum Neubau am rückseitigen Grundstücksrand her. Dieser nimmt alle Funktionen auf, die im Altbau keinen Platz fanden, wie ein Café mit Außenterrasse oder Veranstaltungs- und Seminarräume. Die einheitlich grauen Lamellenfassaden sollen für ein wechselhaftes Spiel aus Licht und Schatten sorgen sowie die Neubauten gegenüber dem Altbau deutlich zurücktreten lassen.

Drittes Element des Projekts ist die Gedenkstätte, die sich an der östlichen Grundstücksgrenze von der Straße bis zum Hinterhof erstreckt. Die aus Stahl gefertigte Erinnerungswand, in die die 600 Namen der Verschleppten eingraviert wurden, soll an einen Waldrand erinnern, der in Bezug auf die Razzia sowohl als Ort der Erschießungen wie auch als Versteckmöglichkeit gelesen werden kann. Zwischen den einzelnen Stahlstelen soll das Grün im Laufe der Zeit hochwachsen. Zudem gibt es die Möglichkeit, neben den Namen der Opfer Blumen oder Schleifen anzubringen. So ermöglicht die Wand ein vielfältiges, buntes und lebendiges Erinnern. (fh)

Fotos: Bartosz Markowski


Zum Thema:

Über die erstaunliche Welle erinnerungspolitischer und kultureller Neubauten in Polen berichtete die BAUNETZWOCHE#656 „Polens neue Kulturbauten“ .


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