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13.07.2021

Verschwommene Schönheit

Museum für Poesie in China von DnA_Design and Architecture


In der BAUNETZWOCHE#510 „Kluge Akupunktur in chinesischen Dörfern“ hatten wir 2018 bereits ausführlich über die vielen kleinen Projekte berichtet, mit denen die Kreisverwaltung und das Büro DnA_Design and Architecture der chinesischen Architektin Xu Tiantian in der ländlichen Region Songyang im Südosten Chinas die Dorfgemeinschaften gegen die Abwanderung stärken möchten. Die Projekte sind seitdem in einer Wanderausstellung in Berlin, Wien und Venedig gezeigt worden, und jüngst entstand dazu noch ein Buch mit einem Titel wie ein Kinofilm: „The Songyang Story“. In Songyang sind die Arbeiten inzwischen vorangegangen, und so können wir von vier frisch fertig gestellten Projekten berichten — während das Büro bereits an zehn weiteren arbeitet, darunter ein Planetarium, eine Papierfabrik, ein Hotel und ein Ziegelmuseum.

Wir beginnen mit dem „Museum für Poesie“, das in der Provinzhauptstadt Songyang eröffnet wurde. Das Museum bezieht sich auf das Vermächtnis der Dichterin Zhang Yuninang, die von 1250-1277 u.Z. in Songyang lebte, und die zu den wichtigsten Dichterinnen Chinas aus dieser Zeit zählt. Als Bauplatz hatte die Verwaltung einen kleinen, grünen Papgeienhügel mit alten Bäumen im dicht bebauten Zentrum ausgewählt: ein schmales Grundstück, das zwischen zwei Straßen ein spitz zulaufendes Dreieck bildet. Xu Tiantian und ihr Büro DnA entwarfen einen kompakten, viergeschossigen Baukörper, den sie in den Norden des Grundstücks gegen die angrenzende Bebauung stellten. Das Erdgeschoss bleibt zwischen den zwei Erschließungskernen offen, im Süden davor wurde um die Bäume herum ein Garten angelegt, der mittels zweier Milchglaswände in einen inneren und einen äußeren Bereich geteilt wird.

Diese Milchglaswände geben dem Ort mitten in der Stadt eine entrückte Atmosphäre. Die Transparenz der Scheiben ist unterschiedlich, sodass die Menschen auf der jeweils anderen Seite manchmal nur als Schatten, manchmal klar und manchmal gar nicht sichtbar werden. Xu spricht von einer „verschwommenen Schönheit“ des Gegenübers. Dieser Effekt verstärkt sich noch einmal im inneren Garten, der auch für Lesungen genutzt werden kann. Im Gebäude liegen kleine, offene Etagen für Ausstellungen, Lesungen oder Veranstaltungen. Wie so oft in China gibt es auch hier noch kein genaues Konzept für die Nutzung, die Architektur lässt daher erst einmal alles offen. Es soll die regionale Geschichte von Poesie, Kalligraphie und Malerei erzählen und lebendig halten. Die Textur der Bretterschalung und die graue Fassade aus Sichtbeton geben dem Gebäude ein „ruhiges und feierliches Temperament“, die weißen Decken und Vitrinen sollen das Thema der Ausstellungen unterstreichen. Aus jeder Etage geht der Blick in den Garten, allerdings wiederum durch Scheiben von unterschiedlicher Transparenz – die Schönheit des Ausblicks bleibt auch hier: verschwommen. (fh)

Fotos: Ziling Wang



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