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19.06.2024

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Abstrakte Kunst im Zuckerwürfel

Museum Reinhard Ernst in Wiesbaden von Fumihiko Maki


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Am Sonntag eröffnet das neue Museum Reinhard Ernst in Wiesbaden, entworfen von Fumihiko Maki. Dass der Architekt erst vor wenigen Tagen verstorben ist, wirft nur einen kleinen Schatten auf das strahlend weiße Gebäude

Von Florian Heilmeyer

Der Unternehmer Reinhard Ernst sammelt seit Jahrzehnten abstrakte Kunst. Um seine seit den 1980er Jahren entstandene Sammlung nicht in einem Depot versauern zu lassen, entschied er sich, ein Museum bauen zu lassen. Am kommenden Sonntag eröffnet das nach ihm benannte Museum Reinhard Ernst (mre) in Wiesbaden seine Türen. Eine „Win-Win-Situation“ nennt es Falk Jaeger im Tagesspiegel, dass die Stadt das „Filetgrundstück“ an der Wilhelmstraße 1 – zuvor ein schnöder Parkplatz – in Erbpacht zur Verfügung stellte. Träger ist die gemeinnützige Reinhard & Sonja Ernst-Stiftung, die der Kunstsammler gemeinsam mit seiner Frau gründete. Bau und Betrieb des Hauses kosten die Stadt keinen Cent, die dafür aber um eine Attraktion reicher ist. Denn zweifellos ist Ernsts Sammlung abstrakter, zeitgenössischer Kunst sehenswert.

Der Entwurf stammt vom kürzlich im Alter von 95 Jahren verstorbenen japanischen Architekten Fumihiko Maki und seinem Büro Maki and Associates (Tokio). Die Ausführung übernahmen schneider+schumacher (Frankfurt am Main). Zu keinem Zeitpunkt, so Ernst, sei für ihn ein anderer Architekt als Maki in Frage gekommen. Seit über 30 Jahren sei dieser ein Freund der Familie gewesen, Maki und Ernst hatten zusammen bereits 2011/2012 in Japan ein Gemeindezentrum als Wiederaufbauhilfe nach dem Tsunami errichtet. Zudem war Ernst stets begeistert von Makis Museumsbauten, vor allem vom Aga Khan Museum in Toronto und dem Japanese Sword Museum in Tokio. Es seien Gebäude mit einem klaren, schlichten Ausdruck, hinter denen aber komplexe Überlegungen und Konstruktionen steckten.

Ähnlich ist auch das freistehende Museum in Wiesbaden konzipiert, hinter dessen hellen und klaren Räumen eine aufwändige Stahlkonstruktion steckt, die weite Auskragungen ermöglicht. Man könnte das Museum selbst als Stahlskulptur verstehen, auch wenn diese verborgen im Inneren liegt. Die Statik übernahmen Bollinger + Grohmann (Berlin u.a.). So wurde zum Beispiel das großzügig verglaste Erdgeschoss möglich, das unter den schweren, weitgehend geschlossenen Volumen für die Ausstellungsflächen darüber offen und einladend wirkt.

Sammeln nach dem „Wow-Effekt“

Insgesamt umfasst der Neubau 9.700 Quadratmeter Fläche, davon etwa 2.500 für Ausstellungen. Im Gegensatz zur schlichten, weißen Außenfassade bietet das Innere einen abwechslungsreichen Parkour durch die bis zu 14 Meter hohen Räume. Maki hat das Raumprogramm in vier Quadern sortiert, die um einen 19 Meter hohen Lichthof mit einer Stahlskulptur von Eduardo Chillida kreisen. Der Rundgang führt die Besucher*innen auf allen drei Ebenen immer wieder an Lichthof und Foyer vorbei, sodass Orientierungspunkte entstehen.

Die Gestaltung ist zurückhaltend, die Räume meist weiß mit dunklen Holzfußböden. Für Farbe sorgt die Kunst: Katharina Grosse, Robert Motherwell, Tony Cragg, Sam Francis, Helen Frankenthaler – ein Raum alleine für drei Metallreliefs von Frank Stella. Ernst sagt, er sammle ohne akademisches Interesse einfach Werke, die ihn berühren. Er kaufe „nach Bauchgefühl und Farbe“ und suche dabei immer nach dem „Wow-Effekt“. Über 960 Werke gehören zu seiner Sammlung, darunter viele Großformate.

Die Zuckerwürfel von Wiesbaden

Die PR-Abteilungen von Museum und Stadt sind sich einig, dass die Wiesbadener das Haus bereits in ihre Herzen geschlossen hätten und es liebevoll „Zuckerwürfel“ nennen. Zu finden ist dieser Spitzname auf jeden Fall bereits in allen Zeitungen. Er bezieht sich auf die Fassaden, die aus dünnen Platten aus weißem Granit aus Vermont gefertigt sind. 49 Blöcke mit 320 Kubikmetern mussten dafür per Schiff aus den USA nach Werbach-Gramburg gebracht werden, wo man sie zurechtschnitt. Es ist ein ähnlicher Stein wie ihn Maki auch am Aga Khan Museum verwendet hat. In Wiesbaden allerdings wurde die Oberfläche gestockt, was den Stein noch etwas heller wirken und zudem stärker glitzern lässt. Die Assoziation eines Zuckerwürfels ist also nicht ganz aus der Luft gegriffen.

Wie präzise Bauherr und Architekt das Gebäude geplant haben, zeigt sich an den Ecken der Zuckerstückchen. Dort gibt es keine Fugen zwischen den Granitplatten. Stattdessen wurden massive Eckplatten aus den Blöcken geschnitten, die im 90-Grad-Winkel um die Kanten greifen. Die Fassadenfirma aus Werbach-Gramburg weist daraufhin, dass die CO2-Bilanz dieses „Maßanzugs aus Naturstein“ vor allem dank des Schiffstransports günstiger seien als jedes vergleichbare „gängige“ Fassadenmaterial. Als Baukosten gibt die Reinhard & Sonja Ernst-Stiftung 80 Millionen Euro an.

Der Besuch des Museums lohnt sich übrigens doppelt, denn die erste Wechselausstellung ist dem Lebenswerk von Fumihiko Maki gewidmet: „Für eine menschliche Architektur“. Die Tickets für Sonntag seien bereits ausverkauft, teilt das Museum mit. Die gute Nachricht: Die Maki-Ausstellung läuft bis Februar 2025.

Fotos: Klaus Helbig, Frank Marburger, Museum Reinhard Ernst


Zum Thema:

Museum Reinhard Ernst


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Kommentare
...geben nicht die Meinung der Redaktion wieder, sondern ausschließlich die ihrer jeweiligen Verfasserinnen und Verfasser.

9

solong | 24.06.2024 12:48 Uhr

merkwürdige

aussenwirkung ... wirkt mit der zurückliegenden sockelzone ... eher wie ein kaufhaus der 70er-jahre ... kein "großer wurf"

8

arcseyler | 21.06.2024 09:39 Uhr

.....

Die Grundkonzeption des Shop in Shop, wie bei der neuen Mannheimer Kunsthalle wird sichtbar. Allerdings ist das hohe Stadtfoyer wie in MA oder auch im Berliner Schloss hier als Lichthof ausgegrenzt. Eine vertane Chance für Wiesbaden. Insofern ist die letzte Entwicklung des öffentlichen Stadtraums noch nicht vollzogen, somit eher doch ein Rückblick.
Auch Bibliotheken, neuerdings in ehemaligen Kaufhäusern, entwickeln sich zu vielzweck Aufenthaltsräumen.

7

U919 | 20.06.2024 13:54 Uhr

An joscic, Werke, sehe Wikipedia...

Memorial Hall Auditorium der Universität Nagoya (1960, Nagoya)
Eigenes Haus (1978, Tokio)
Makuhari-Messe (1989, Chiba)
Shonan Fujisawa Campus der Keiō-Universität (1990, Fujisawa)
Yerba Buena Center for the Arts (1993, San Francisco)
Büropark Isar (1994, Hallbergmoos[6] bei München)
Ensemble Global Gate (2000–2006, Düsseldorf)
Bürogebäude Solitaire (2001, Düsseldorf)
Bürogebäude des Senders TV Asahi (2003, Tokio)
Four World Trade Center, Neubaugebäude am Ground Zero in New York City (2008–2013)
Gate of Taipei, Taipeh, Taiwan (2009–2013)
Museum Reinhard Ernst, Wiesbaden (geplante Eröffnung 23. Juni 2024)[7]

6

An Nummer 1 | 20.06.2024 11:20 Uhr

Also


Zu behaupten, dass man "halbwegs gut informiert" sei, und dann Maki NICHT kennt ist ja ein Paradoxon. Dann ist man halt doch nicht informiert - auch nicht halb. Selbsteinschätzung kann auch Überschätzung sein.

Maki, war und ist eine wichtige Figur in der Architektur, der viele seiner Kollegen inspiriert hat. Darüber hinaus sollte man Wissen hier nicht mit Geschmack verwechseln und dann irgendwelche ignoranten Urteile auf letzterem basierend raus zuhauen, obwohl man gerade festgestellt hat, dass man Maki nicht wirklich kennt. Das zeugt auch nicht gerade von gut verlinkten Synapsen.

Und dann: seit wann ist den Maki weiß? Wenn man sich schon in die Welt der ethnischen Klischees begibt, dann sollte man doch bemerkt haben, dass Maki in Japan geboren wurden und im schematischen ethnischen Denken unserer Zeit nicht als weiß gilt.

Manchmal nützt Wissen ja dann doch etwas. Es gibt auch einen fundamentalen Unterschied zwischen Wissen und „Information“ (ob nun halb oder ganz).

5

Nachbar | 20.06.2024 10:54 Uhr

Wer ist joscic (1)?

...ich habe von dem/der auch noch nie gehört.

4

Lars K | 20.06.2024 08:20 Uhr

Genius Loci

Nur ganz kurz zum Thema Genius Loci:Wer Wiesbaden kennt, der weiß, dass das neue Museum kein Maßstabssprenger ist. Wenn man vom Hbf über die Friedrich-Ebert-Strasse läuft, die scheussliche Lärmschneise, dann läuft man fast ununterbrochen an dicken Klopsen vorbei: Finanzministerium, Contipark, Landesmuseum und -ganz schlimm- Kongresszentrum. Da schiebt sich das MRE zwar etwas aus den Baufluchten und gerät dadurch früher in den Blick, was aber nur gut tut. Von den genannten Gebäuden ist das MRE in jedem Fall das mit dem höchsten Anspruch. ich finds gut. Muss aber erst noch rein. Willkommen in Wiesbaden.

3

Genius_loci | 20.06.2024 01:10 Uhr

White cubes

Ein irgendwie merkwürdiges Ensemble, klobig und eigenwillig proportioniert. Ein wuchtiges Implantat im Stadtraum, maßstabslos und vermeintlich ohne Bezüge zu seiner Umgebung. Das kann bei einem Museum als Sonderbau legitim sein, wirkt hier aber weder elegant noch repräsentativ.
Beeindruckend der konstruktive Aufwand für das gläserne EG, der Gewinn daraus hält sich in Grenzen. Zumindest lässt er die Zuckerwürfel etwas schweben.
Ich befürchte, dass das Gebäude mit dieser DNA nicht gut altern wird.
Innenräumlich zeigt das "MRE" deutlich mehr Qualitäten, löst den Anspruch eines Museums ein.
Auch wenn mich das Gesamtergebnis nicht recht überzeugen kann, ist das "geschenkte" Haus in jedem Fall ein Gewinn für die Stadt. Erst recht, wenn man die frühere Nutzung des Grundstücks (Bild 35!) dagegenhält.

2

Guten Abend | 19.06.2024 22:41 Uhr

Gute Besserung

Geehrter Vorredner,
warum soll ein Mäzen einen Wettbewerb machen, wenn er weiß, was er will ? Warum soll er sich mit einer zeitgenössischen Architektin konfrontieren, wenn er seinen Planer schon gefunden hat ? Wieviel Steuern hat er bezahlt ? Kein Mensch muss eine Stiftung gründen und ein Museum bauen. Die Gesetze zu Stiftungen macht die öffentliche Hand. Dieses Geschwurbel und Neiddebatten sind so verachtenswert (und westdeutsch). Das braucht keiner. Es ist ein großartiges Projekt und jede Kommune kann sich glücklich schätzen, so einen Städtebau- Schatz zu bekommen.

1

joscic | 19.06.2024 18:18 Uhr

Rares für Bares

Ich halte mich was Architektur betrifft für halbwegs gut informiert, aber von Fumihiko Maki hatte ich bis zur Meldung seines Todes vor ein paar Tagen noch nicht gehört. Keines der gezeigten Gebäude war mir bekannt und ich finde auch keines davon besonders herausragend. Vielleicht waren die Häuser aus den 80er Jahren zu ihrer Zeit noch Avantgarde. Vielleicht haben Richard Meyer und Peter Eisenman ja auch bei ihm abgeschaut. Was an seiner Architektur aber besonders menschlich sein soll ist mir unverständlich. Interessant wäre ja dann vielleicht eher unmenschliche Architektur.
Das vermeldete Gebäude hat den Charme einer Bank oder eines Verwaltungsgebäudes der Firma Harmonic Drive (mit der Herr Ernst sein Geld verdient hat), da nützt auch die verborgene "Stahlskulptur" und die CO2 sparende Hakenplatten Fassade nichts. Der Grundriss erscheint mir künstlich verwinkelt und verschachtelt mit dem Ergebnis, daß die Skulptur von Toni Cragg auf Bild 18 unglücklich in einer Nische eingezwängt steht. Und nichts gegen alte weiße Pritzker Preis Träger, aber an dieser Stelle hätte doch eine zeitgenössische Architektin antreten können oder wenigstens ein Wettbewerb ausgelobt werden müssen - wenn schon drinnen auch nur bewährtes Werthaltiges nach Bauchgefühl und Farbe ausgewähltes steht.
Auch von Reinhard Ernst hatte ich noch nie etwas gehört. Seine Spannungswellengetriebe sollen ja bei den Mondautos eingebaut worden sein. Nichts gegen sein Stiftungsmodell, aber von den 80 Millionen wird die öffentliche Hand direkt oder indirekt einiges beigesteuert haben. Vielleicht wäre die Sammlung aber besser als Erweiterung in einem größeren Museum untergebracht gewesen. Jetzt steht da ein Museum Reinhard Ernst mit großen Namen zusammengewürfelt nach dem "Wow Effekt".

 
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