Es waren 28.000 Gemälde, Zeichnungen, Fotografien und Skulpturen, die der 1944 verstorbene Maler Edvard Munch seiner Heimatstadt Oslo schenkte. Munchs Bedingung: Sie müssen adäquat ausgestellt werden. Daraufhin war 1963 im Stadteil Tøyen ein Museum gebaut worden, in den 1990er Jahren hat man es saniert und erweitert. Im Jahr 2008 entschied die Stadt, im ehemaligen Hafenareal Bjørvika, gleich neben dem Opernhaus von Snøhetta einen Museumsneubau zu errichten. Die Madrider Herreros Arquitectos, die heute Estudio Herreros heißen, gewannen den entsprechenden Wettbewerb und setzten sich mit ihrem Entwurf „Lambda“ unter anderem gegen Christ & Gantenbein und REX Architects durch.
Herreros Arquitectos waren die einzigen, die ein vertikales Museum vorgeschlagen hatten. Die kompakte Baumasse sollte möglichst viel öffentlichen Raum auf dem Grundstück freilassen, erklärt Jens Richter, der Estudio Herreros seit 2014 gemeinsam mit Juan Herreros führt. Überdies habe die Vertikale logistische Vorteile, weil man einzelne Ausstellungsräume über Aufzüge direkt mit dem Depot verbinden könne. Schließlich könnten die Besucher immer wieder Bezüge zwischen Munchs Bildern und der Stadt herstellen, wenn sie auf Rolltreppen mit Blick auf den Fjord die Ebenen wechseln und von den Terrassen im 12. und 13. Stock über ganz Oslo schauen können.
Mit geknicktem Kopf neigt sich der Baukörper in Richtung Oper und Innenstadt, seine Fassade verläuft in leichten Wellen, die von perforiertem Aluminium geformt werden. Auf 26.300 Quadratmetern sind hier Ausstellungssäle, Depots und Büros ebenso untergebracht wie Räume für Veranstaltungen. In den Sockelgeschossen werden die Besucher ein Auditorium und ein Kino vorfinden, Räume für Workshops mit der Familie, für Konferenzen, Lesungen und Konzerte sowie zwei Restaurants und eine Dachterrasse. Wie in allen Museen machen auch hier die Sammlungsobjekte nur einen Teil der Attraktivität aus, werden Angebote wichtiger, die die Bevölkerung immer wieder neu ins Museum locken.
Hinzu kommt, dass das neue Munch Museum nur eines von vielen architektonischen Ausrufezeichen ist, die das Stadterweiterungsprojekt Oslo Fjord City markieren. Entlang der Wasserkante der Stadt entstanden anstelle der alten Hafenanlagen in den vergangenen 20 Jahren mehrere neue Stadtviertel, Bürokomplexe und einzelne Kulturbauten. Nach dem 2008 eröffneten und inzwischen denkmalgeschützten Opernhaus wurde im Juni 2020 nebenan das neue Gebäude der Osloer Stadtbibliothek fertig. Im Frühjahr 2021 soll nördlich der Innenstadt der Neubau des gewaltigen Nationalmuseums eröffnen. Doch zuvor ist das Munch-Museum dran, das in Oslo entsprechend seinem Entwurfsnamen alle „Lambda“ nennen.
Lambda war und ist umstritten. Nicht nur wegen seiner dominanten 12 Geschosse, die sich über dem mächtigen Sockel erheben. Viele hätten lieber eine Erweiterung des Altbaus gesehen. Eine Weile war das Projekt ob der Proteste auf Eis gelegt, um Alternativen in der Nationalgalerie oder dem alten Munch-Museum zu prüfen, 2013 gab es schließlich doch eine politische Mehrheit und die Baugenehmigung. Voraussichtlich im Dezember 2020 sollen die Türen nun endlich öffnen. (fm)
Fotos: Adrià Goula
Video:
Video by Munch Museet
Zum Thema:
siehe auch Baunetzwoche#99 „Fjordstadt Oslo“.
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Fred Konkret | 03.09.2020 16:43 UhrOrganisation
Die Stapelung der Geschosse führt zu schmalen Grundrissen mit deutlichen Einschränkungen, was die Bespielung der Flächen durch eine Ausstellung anbetrifft. Ein große Ausstellungsfläche derart zu fragmentieren, führt zu ständigen Unterbrechungen und unzusammenhängenden Räumlichkeiten. Die Vertikalität bietet zwar den Vorzug des Ausblicks, jedoch wiederholt sich dieser auf jedem Geschoss und wird dadurch als Gestaltungsthema etwas überstrapaziert. Irgendwie wirkt alles sehr bemüht, der Entwurf bleibt am Ende doch nur ein Oneliner.