Die alte Moschee in Dandaji, einem 3.000-Einwohner-Dorf im Südwesten Nigers, war in einem schlechten Zustand. Deshalb sollte sie abgerissen und durch einen größeren Neubau ersetzt werden. Doch dann kamen zwei Architektinnen ins Spiel.
Von Florian Heilmeyer
Auf der Suche nach einem Architekten für den Neubau einer Moschee stieß die wachsende islamische Gemeinde von Dandaji auf die Architektin Mariam Kamara. Mariam Kamara ist in Nigers Hauptstadt Niamey aufgewachsen, in den USA studierte sie Architektur und lernte an der University of Washington die iranische Studentin Yasaman Esmaili kennen, als sie 2015 im Rahmen eines Uni-Projektes eine Mädchenschule in Mazar-i-Sharif bauten. Mit Kommilitonen gründeten die beiden „united4design“ und bauten ein Wohnhaus in Niger. Dann kam die Anfrage aus Dandaji, wo Mariam Kamaras Großvater einst Dorfoberhaupt war. Esmaili und Kamara beschlossen, das Projekt gemeinsam zu übernehmen. Kurz zuvor hatte Kamara das atelier masomï in Niamey gegründet, Esmaili gründete ihr Büro Studio Chahar.
Die beiden Architektinnen entwickelten mit der Dorfgemeinschaft eine Alternative. In der alten Moschee sahen sie ein erhaltenswertes Beispiel eines großen Lehmbauwerks im traditionellen Stil der Volksgruppe der Hausa. Offenbar war auch der für seine Lehmbauwerke berühmte Maurermeister und Architekt Falké Barmou, 1986 mit dem Aga Khan Award ausgezeichnet, am Bau beteiligt. Der Vorschlag, die alte Moschee zu sanieren, anders zu nutzen und ihr dafür einen Neubau als neue Moschee an die Seite zu stellen, öffnete jedenfalls Türen.
Die alte Moschee wurde zum Kultur- und Bildungszentrum umgebaut. In einem der ärmsten Länder der Welt mit einer Analphabetenrate von knapp 80 Prozent ist dies gerade für Frauen und Kinder ein wichtiger Schritt. Maurer, die bereits am Altbau beteiligt waren, gaben ihr Wissen an die jüngeren Arbeiter weiter. Die Architektinnen brachten neue Technologien ein, die Konstruktion durch Zement-Zuschläge und einen Natursteinsockel haltbarer zu machen. In den Hauptraum wurde ein Stahlgerüst eingesetzt, das Regalflächen und Lese- und Arbeitsbereiche für die neue Dorfbibliothek bietet. Zudem entstanden Klassenräume für Schüler, aber auch für Auszubildende und Frauen, die traditionelles Handwerks- und Haushaltswissen weitergeben möchten.
Die ummauerten Außenräume wurden neu gestaltet. Sie stehen der gesamten Dorfgemeinschaft offen: ein Spielplatz, ein traditionell anmutender Dorfplatz mit Bänken um einen jungen Baum, und Sitzstufen, die wie ein Amphitheater wirken. Ein unterirdisches Regenwasserspeicherbecken nutzt dem gesamten Dorf. Für den Moschee-Neubau blieb im Südosten des Geländes noch immer genügend Platz. Es ist ein großes, zurückhaltend modern gestaltetes Gebäude mit Anleihen an die Architektur der Hausa. Ein zweiter großer Gebetsraum ermöglicht auch muslimischen Frauen das tägliche Gebet in der Moschee. Eine Betonstruktur trägt das traditionelle Gewölbe aus Lehmziegeln.
Kamara und Esmaili orientierten ihr Projekt an dem im 9. Jahrhundert in Baghdad entstandenen Kultur- und Religionszentrum „Bayt al-Hikma“, was so viel heißt wie offenes „Haus der Weisheit“. Die zeitgenössische Adaption der beiden Architektinnen mit ihren partizipativen und emanzipativen Aspekten wurde 2018 noch vor der Fertigstellung mit dem Globalen Holcim-Award für Nachhaltiges Bauen in Silber ausgezeichnet.
Zum Thema:
Ein Interview mit Yasaman Esmaili erschien in der Baunetzwoche#534 Frühling in Teheran.
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Christoph Wetsch | 12.06.2019 12:57 Uhr... Kann mich nur anschließen
Richtig geiles Zeug! ;)