Es riecht noch nach Klebstoff im montenegrinischen Pavillon. Mit minimalem Budget hat hier hat ein internationales Kuratorenteam aus den Berlinern Ilka und Andreas Ruby (Ruby Press), dem slowenischen Architekten Boštjan Vuga (Sadar+Vuga), dem Schweizer Architekt Simon Hartmann (HHF Architects) und den montenegrinischen Architekten Dijana Vučinić (DVARP) und Nebojša Adžić eine Ausstellung auf die Beine gestellt, die von Mut und kultureller Souveränität eines kleinen Landes zeugt. Treasures in Disguise zeigt in großmaßstäblichen Modellen die starken baulichen Zeugen, die in dem heute unabhängigen Staat an die diktatorische Herrschaft Titos in Jugoslawien erinnern.
Endlich raumfüllende Modelle! Die Ausstellungsform, die viele andere Pavillons vermissen lassen, zieht die Besucher hier sofort in den Bann. Die für die montenegrinische Nation historisch unbequemen Bauten sind heute verlassene Ruinen mit den einzigartigen Qualitäten ideologisch unverkrampfter Betonbauweise.
Vier Beispiele der späten Moderne zwischen 1960 und 1986 bespielen hier als eindrucksvolle Raumausschnitte im Maßstab 1:5 bzw. 1:10 die Ausstellung. „Hier zeigt sich die wahre Macho-Kraft der Jugo-Monster“ beschreibt Andreas Ruby die leerstehenden Gebäude, immer noch erstaunt darüber, dass sich das Balkanland von der Größe Schleswig-Holsteins darauf eingelassen hat, sich auf einer internationalen Leistungsschau mit dem offen zur Schau getragenen ruinösen Erbe seiner Vergangenheit zu präsentieren.
Dazu zählen etwa der romantisch gelegene Kayak-Club „Galbe“, 1960 erbaut am Ufer des Morača, und die weitaus problematischere Memorialarchitektur des gescheiteren Staates wie der Dom Revolucije, ein Kulturzentrum von spätbrutalistischem Charme, das dem Gedenken der Opfer des Zweiten Weltkriegs errichtet wurde. „Für Tito war die gemeinsame Kriegserfahrung der Klebstoff, der seine Nation zusammenhalten sollte“, heute ist diese Denkmalarchitektur ungenutzt und verfallen.
Trotzdem lässt sich die Schau nicht als Ruinenporno abtun. Die Kuratoren wollen eine Auseinandersetzung mit dem von ihnen als „verborgener Schatz“ betitelten unbequemen architektonischen Erbe eine Diskussion über die Zukunft der „jugoslawischen“ Architektur in Montenegro anregen. Der Biennale-Beitrag zeigt, dass ein internationales Interesse an diesen Bauten besteht, an Gebäuden, die nicht nur für das Scheitern des Staates, sondern auch das Scheitern der Moderne stehen. Die Moderne sei ein Trauma, das erstmal verdaut werden muss, bezieht sich Ruby auf Koolhaas’ Rahmenthema. Erst mit einer gewissen zeitlichen Distanz können die Bauten, die oft den Kontext missachteten, selbst zum Kontext werden.
In dem seit 2006 nach 90-jähriger Jugoslawien-Geschichte unabhängigen Montenegro ist diese Distanz nach Rubys Einschätzung noch nicht groß genug. Trotzdem ist bei Branimir Gvozdenovic, dem montenegrinische Minister für Nachhaltige Entwicklung und Tourismus, die Botschaft der Ausstellung angekommen. „Wir dürfen diesen Teil der Geschichte nicht weiter unter den Teppich kehren“, erklärt der Minister. Die Biennale nimmt er als Anlass zum Agendasetting im eigenen Land: Man werde die Zeugen der Vergangenheit als Potentiale für die Zukunft begreifen.
Dass sich die Montenegriner die Gebäude aneigenen, sie neu programmieren, und ihnen eine neue Bedeutungsschicht hinzufügen, das wünscht sich Ruby als Folge der Ausstellung. Ein erster Schritt dafür ist dieser mit minimalem Budget und großem Feinsinn realisierte Beitrag zur 14. Biennale, der schon vor der Eröffnung in dem nur 625.000 Einwohner zählenden Montenegro ein stolzes Medienecho hervorgerufen hat. (Luise Rellensmann)
BauNetz ist Medienpartner des deutschen Beitrags in Venedig. Unsere Berichterstattung zur Biennale 2014 wird unterstützt von GROHE .
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