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16.01.2018

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Kiefern vorm Koloss

Momentaufnahme: Ein Jahr BND-Zentrale von Jan Kleihues


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Nur mit langer Voranmeldung, ausgeschalteten Geräten und lediglich auf einen ganz geringen Teil des 280 Meter langen Gebäudekolosses beschränkt, fand am gestrigen Montag eine exklusive Begehung des Bundesnachrichtendienstes in Berlin statt. Es ist nunmehr ein Jahr her, dass der BND aus dem bayrischen Pullach nach Berlin in den Neubau von Kleihues+Kleihues gezogen ist. Noch weitere der insgesamt 4.000 Mitarbeiter werden nachrücken. Jetzt wollen die Beteiligten, der BND-Präsident Bruno Kahl und der Architekt Jan Kleihues, doch noch (beschränkt) öffentlich kundtun, worauf sie nach zehn Jahren Planung und Bauen recht stolz sind, und luden an diesem Tag zu einer Buchvorstellung ein, die das geheime Bauwerk präsentiert.

Ausgiebig in die Kritik geraten war das mächtige Gebäude, seine endlos sich wiederholenden, 14.000 schmalen Fenster und die stete Gliederung zur Schießschartenfassade an einem zentralen Standort in Berlin. Doch an diesem Tag und aus der Nähe betrachtet, wandelt sich die Skepsis im Publikum zur Bewunderung. Die Wiederholung der Fassade werde zur Erhabenheit, die Kolossalität werde zur Monumentalität, so kommentiert der sonst kritische Architekturhistoriker Adrian von Buttlar. Und der verfehlte Standort schaffe heute vielmehr die nötige Nachverdichtung, wie der Schauspieler, Essayist und Spaziergänger Hanns Zischler betont. Denn dort, wo die einstige Berliner Mauer viele Jahre Leere und eine gespaltene Gebäudeansiedlung hinterlassen habe, schließe der BND nun endlich eine städtebauliche Lücke.

„Ich stehe zu der Monumentalität“ betont Jan Kleihues gelassen. Eine selbstbewusste Stattlichkeit der Architektur war auch gefragt, als vor über dreizehn Jahren der geschlossene Wettbewerb zum Projekt ausgerufen wurde. Denn dieser Neubau für einen der wichtigsten Nachrichtendienste weltweit sollte nach einem jahrzehntelangen Versteckspiel des BND in der Gartensiedlung Pullach, die einstige „Reichssiedlung Rudolf Hess“, auch die Bedeutung des Dienstes gebührend repräsentieren. Kleihues und sein Team rückten das Gebäude unter anderem auch aus Sicherheitsgründen 30 Meter von der Straße weg und setzen es auf einen sandsteinverkleideten Sockel. Um das Monument vom Koloss zu unterschieden, ließen die Architekten den Sockel in den Boden ein. Von der Straße aus kaum zu sehen, entfaltet sich die vielarmige Figur des Sockels im Souterrain und umschließt dabei mehrere Innenhöfe. Vor allem, wie Kleihues betont, um den Mitarbeitern dieses verriegelten Baus eine angenehme, durchlichtete Büroatmosphäre zu schaffen.

Die tatsächlichen Grundrisse bleiben geheim, doch offenbar haben die Architekten in dem Bau einen riesigen, flexiblen Büroorganismus integriert, der vergleichweise kurze Wege, Begegnung und eine schnelle Umgestaltung von Zellen zu Großraumbüros ermöglicht. Als Prinzip „Need-To-Share“ beschreibt BND-Präsident Bruno Kahl die Gruppenarbeit beim Geheimdienst. „Ein schönes Gebäude soll es sein, das funktioniert“, sagt Kleihues dazu kryptisch. Der Bau kann auch bei Bedarf erweitert werden. Der Grundriss sieht die Möglichkeit neuer Flügel im hinteren Westteil vor. Daher setzt dort die strenge Fensterreihung kurz aus.

Mit „schön” meint Kleihues vor allem die Verbindung zweier Motive: den großen Maßstab des Baus, in dessen herrschaftlich herausragenden Torbauten er die „Körnigkeit Berlins“ widergespiegelt sieht, und das Detail, dessen „Perfektion schon an Poesie reicht“. Nicht nur die im Tageslicht schimmernde Legierung der Metallfassade, auch jede Türklinke und Bodenfuge sind in diesem Gebäude ästhetisch überlegt.

Trotz aller Perfektion und Durchdachtheit dieses riesigen Bauwerks bedarf seine Architektur doch einer gewissen visuellen Fraktur. Das gibt auch Jan Kleihues zu. Deswegen setzte er die Kiefern vor dem Bau. Sie seien nicht nur heimisch in Berlin, sondern auch „krüppelig und unperfekt“. Dass dieser Bruch schon immer Teil des Projekts BND-Neubau an der Chausseestraße war, zeigen die ersten Renderings des Büros Kleihues+Kleihues. Bereits 2005 standen die buckeligen Silhouetten von Kiefern vor der strengen Architektur. (sj)

Fotos:
Alexander Ludwig Obst & Marion Schmieding, Stefan Müller, ©Hatje Cantz/Kleihues+Kleihues, 2018


Zum Thema:

Die erwähnte Publikation von Jan Kleihues ist jetzt unter dem Titel „BND. Die Zentrale / The Headquart er of the Federal Intelligence Agency“ bei Hatje Cantz erschienen. Mit Texten von Arno Lederer und Walter A. Noebel sowie Fotografien von Alexander Ludwig Obst & Marion Schmieding und Stefan Müller.


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Kommentare
...geben nicht die Meinung der Redaktion wieder, sondern ausschließlich die ihrer jeweiligen Verfasserinnen und Verfasser.

14

Sebaster | 21.01.2018 23:28 Uhr

Aufgabe

Wenn die Bauaufgabe lautete, den stillen Grusel und die Ängste der Menschen vor dem, was Behörden im Allgemeinen und Geheimdienste im Speziellen alles Unschönes ohne unser Wissen anstellen, in eine Gebäudeform zu gießen, dann muss man sagen: Hervorragend gelöst!

13

ein weiterer | 19.01.2018 10:16 Uhr

Türen

Ich bin verwundert, dass noch niemand Bezug auf die Türintarsien auf Bild 8 genommen hat.

Wie diese Grundrissfigur dort so offensiv auch noch zelebriert wird, hat mich doch sehr erfreut...

12

Johann Maier | 19.01.2018 07:22 Uhr

Schade,

dass die besten Plätze in der Stadt für solche primitiven, undurchsichtigen Protzarchitekturen reserviert werden. Eine fortschrittliche, demokratische Gesellschaft hätte das nicht nötig.

11

Claus | 18.01.2018 12:26 Uhr

>no drama baby< sagt Moneypenny

In der Regel bin ich kein großer Freund von Kleihues und den anderen Neocons und normalerweise würde ich auch dagegen anschreiben. Jedoch muss ich in diesem Fall eingestehen, dass die Aufgabe in meinen Augen von außen sehr gut gelöst wurde.

Sicher kann man diesem Gebäude Klotzigkeit, graue Behördenlangeweile und evtl. sogar (biedere) Großmannssucht unterstellen, nur habe ich meinen Geheimdienst lieber kompakt in der Hauptstadt als leise verteilt in den Wäldern bei Pullach oder Langley. Durch die Manifestation in der Hauptstadt rückt diese Institution ins Bewusstsein. Sicher wäre es schöner, gäbe es keinen Bedarf für einen Geheimdienst (oder eine Armee), das ist aber nicht die Welt in der wir leben. Und genau aus diesem Grund wünsche ich mir ein Haus, das ehrlich sagt was es ist und nicht versucht mich mit einer kleinen Siedlung im Grünen oder lustig in der Sonne tanzenden Körpern hinters Licht zu führen. Groß, meistens recht langweilig, aber dafür präzise und im Zweifelsfall auch fähig zur nötigen Härte, aber alles (hoffentlich) unter den Augen des Volkes und seiner Vertreter. Das ist hier in Gänze erfüllt.

Im inneren muss ich allerdings sagen, dass mir die Biederkeit in Weiß und Grau etwas zu weit geht. Hier wäre man mit dem Beton der Fassaden weitergekommen und diesen scheußlichen hellgrauen Terrazzoboden hat man sich leider bei der CIA in Langley abgeschaut, da hätte ich mir etwas Unabhängigkeit gewünscht. Alles in Allem geht James Bond hier höchstens zum Ausnüchtern hin, aber vielleicht ist das auch ganz gut so…

10

Berliner | 17.01.2018 12:38 Uhr

edel

Ein Gebäude, dass trotz seiner Massivität so elegant wirkt, mit einer qualitätsvollen Materialität so gekonnt umgeht, ist meiner Meinung nach bester Beweis, dass der Architekt über ein hohes Maß an Entwurfsstärke verfügt. Das Budget eines Verwaltungsbaus liegt pro qm weit unter dem, was Ministerien verbauen dürfen. Was der BND hier geliefert bekommt ist im besten Sinne ein erhabenes, durchaus auch monumentales Gebäude, dass sich aber bescheiden ausnimmt und nicht durch Extravaganz punkten möchte. Die viel gelobte Kunst am Bau bei diesem Projekt ist meines Erachtens identitätsstiftender und bemerkenswerter als vieles, was sonst so in Berlin vor und hinter den Türen von Bundesbauten steht und hängt.

9

??? | 17.01.2018 12:35 Uhr

Chipperfield in Barcelona (City of Justice)

yipp ... vor allem lebt es aber von dem Städtebau und der Möglichkeit Öffentlichkeit mit zu integrieren. Fassaden aber auch relativ trocken.
Bitte weitere Beispiele :)

8

@??? | 17.01.2018 11:20 Uhr

Bessere Loesung

Chipperfield in Barcelona (City of Justice) hat es wesentlich besser gemacht: Simple monumentale Formen ohne Schnickschnack die durch Layout, Materialitaet und Komposition eine gewisse Poesie ausstrahlen ohne der Funktion einen Abbruch zu tun. Da kommt ein etwas beschraenkter Kleihues auch mit seinen Detailorgien nicht heran.

7

Jan | 17.01.2018 10:00 Uhr

architecture parlante

Dieser Bau ist im besten Sinne postmodern, da er nun wirklich die sehr ernsthaften und wichtigen Aufgaben, die in seinem Inneren vollführt werden auf dramatische Weise in seiner Stringenz nach außen und innen demonstriert.

Man mag in der überhörten Kühle und Distanz der überrepräsentativen Räumlichkeiten, welche jedoch der Öffentlichkeit gänzlich vorenthalten bleiben eine gewisse Ironie wahrnehmen.

Die Detaillierung und Materialist sind über jeden Zweifel erhaben. Man möge sich diesen Anspruch doch gerne bei allen zu realisierenden Bauten doch bitte als Vorbild nehmen.

6

??? | 17.01.2018 09:25 Uhr

die ewigen Kommentare

Ich finde die Kommentare unsäglich bei der Aufgabe. Die Architektur ist sauber umgesetzt und völlig in Ordnung und alles andere ist wohl eher Geschmacksfrage. Bei diesem riesigem Raumprogramm und der Dichte wüsste ich kein Beispiel das das alles erfüllt was die Vorredner gerne hätten. Ich bitte um gelungene Beispiele und dann kann man darüber gerne sachlich diskutieren. Also liebe motzende Kollegen wer hat es denn mal besser Ihrer Meinung nach gelöst ???

5

Visionär | 17.01.2018 07:29 Uhr

Schrecklich

Großmannsucht in Vollendung. Einfach nur schrecklich.

4

Genius_loci | 17.01.2018 00:32 Uhr

Stadt in der Stadt

Auch wenn sich über seinen Maßstab trefflich streiten lässt, ist die schiere Größe des Baus kaum den Architekten anzulasten, sondern schlicht Ergebnis eines gewaltigen Raumprogramms. Und wenn eine Behörde so riesenhaft (geworden) ist, halte ich es für durchaus ehrlich, das nach außen zu zeigen, statt angestrengt zu kaschieren oder zu verheimlichen, wie es am alten Standort der Fall war.
Ansonsten stimme ich Davide zu: Die Stringenz und Perfektion bis ins Detail beeindrucken. Fast möchte man sich wünschen, dass diese Perfektion ein wenig auf die Arbeit im Inneren abfärbt. Vermutlich bleibt das aber ein frommer Wunsch…?

3

Davide | 16.01.2018 21:00 Uhr

schön und schwierig

Man muss ja sagen, dass es keine leichte Bauaufgabe ist, soviel BGF auf dem Grundstück unterzubringen.
Letztlich ist es natürlich erschreckend monumental und auch auf eine Speer-Art beeindruckend deutlich neoklassizistisch. Aber man muss auch zugestehen, dass das wuchtige Ganze im Detail doch sehr hochwertig und konsequent, gar edel, umgesetzt wurde. Wenn das hier gruselig ist, dann ist es gruseln auf extrem hohem Standard.

2

Architekt | 16.01.2018 18:42 Uhr

Anmerkung

Die Bauaufgabe hätte Speer Sen. sicherlich seinerzeit auch nicht ähnlich gemeistert.
Die Braune, wurstartige "Skulptur?" unterstützt in aussagekräftiger Weise das Gesamtssemble sehr passend.

1

Mauerblümchen | 16.01.2018 17:35 Uhr

Also...

...da fehlen einem doch die Worte. Das ist so unbeschreiblich furchtbar. Wie aus einem schlechten, klischeebeladenen Science-Fiction-Film entsprungen. Menschenfeindlich. Man könnte meinen es wäre eine Karikatur.

 
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