Wer sich am New Yorker Times Square, in der Berliner Bergmannstraße oder auf der Besucherterrasse am Flughafen Hamburg auf einer Bank niederlässt, sitzt höchstwahrscheinlich auf einem Produkt von Vestre. Das norwegische Unternehmen produziert seit mehr als 70 Jahren Stadtmöbel und verfolgt ganz explizit einen sozial wie ökologisch nachhaltigen Ansatz. Nun verkündet Vestre, sein Sortiment ab sofort in der „umweltfreundlichsten Möbelfabrik“ der Welt herzustellen. Der neue Produktionsstandort The Plus, der neben Fertigung auch ein Erlebniszentrum und einen 30 Hektar großen öffentlichen Waldpark umfasst, entstand in der östlich von Oslo gelegenen Gemeinde Magnor nach einem Entwurf vom Kopenhagener Büro BIG, dessen Gründer Bjarke Ingels 2019 den Ehrenpreis der Stiftung Deutscher Nachhaltigkeitspreis erhielt.
Der 7.000 Quadratmeter große Gebäudekomplex ist in vier lang gezogene, radial angeordnete Flügel unterteilt, die aus der Vogelperspektive ein großes Pluszeichen in den umgebenden Nadelwald einschreiben. Sie beherbergen vier Hallen mit verschiedenen Funktionen – Lager, Holzfabrik, Farbfabrik und Montage –, wobei die klare, nach Farben unterteilte Organisation und die räumliche Verbindung in der Gebäudemitte effiziente Arbeitsabläufe ermöglichen sollen. Große Glasfassaden zu allen Seiten laden dazu ein, den Fertigungsprozess von außen zu beobachten. Zugleich ist umgekehrt der Wald auch in den Innenräumen stets präsent.
Der in nur 18 Monaten errichtete Bau besteht aus einheimischem Massivholz, kohlenstoffarmem Beton und recyceltem Stahl und soll als erstes Industriegebäude die höchste ökologische Zertifizierung nach der BREEAM-Methode erhalten. Alle vier Produktionseinheiten sind aus 21 Meter weit gespanntem Brettsperrholz gebaut, wodurch flexible, stützenfreie Räume entstehen. Drehscheibe des Komplexes ist ein Büro- und Ausstellungszentrum, das um einen öffentlichen, kreisförmigen Innenhof organisiert ist. An dieser Schnittstelle wurden die vier Gebäuderiegel an jeweils einer Ecke leicht angehoben, sodass geneigte Dächer entstanden sind.
Über zwei seitlich geführte Treppen können Besucher*innen das Gebäudedach begehen und dabei die Produktionsprozesse im Inneren begutachten. Eine Rampe ermöglicht auch Rollstühlen und Kinderwägen den Zugang. Über eine Wendeltreppe ist die Dachterrasse schließlich mit dem Innenhof verbunden. Alternativ führt auch eine 14 Meter lange, sich durch den Wald schlängelnde Rutsche wieder hinab.
Auf den Dächern der vier Flügel sind 900 Photovoltaik-Paneele platziert. Im Zusammenspiel mit Material und Konstruktion, Regenwassersammelsystemen, Wärme- und Kühlsystemen, Begrünung und Elektrofahrzeugen sollen sie dazu beitragen, dass der Energiebedarf von The Plus bis zu 90 Prozent niedriger ist als bei einer herkömmlichen Fabrik und der Betrieb bis zu 50 Prozent weniger Treibhausgasemissionen verursacht – so zumindest die Hoffnung aller Beteiligten. Das Budget für den Bau betrug knapp 30 Millionen Euro. (da)
Fotos: Einar Aslaksen
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