Langsam dürfte es sich weit über die Grenzen der bayerischen Landeshauptstadt herumgesprochen haben: Das Werksviertel hinter dem Münchner Ostbahnhof zählt zu den spannendsten Quartiersentwicklungen des Landes. Einst produzierte hier die Firma Pfanni. Zwischen 1996 und 2016 diente das Industrieensemble als alternativer Kulturstandort. Seit 2017 entwickelt Pfanni-Erbe Werner Eckart das Areal mit seinem Unternehmen OTEC zu einem gemischtgenutzten Quartier.
Die kreative Revitalisierung des Bestands zieht sich als roter Faden durch alle Planungen. Das kürzlich eröffnete Werk 1.4 ist jedoch ein kompletter Neubau, auch wenn man spontan eher an einen grundlegend sanierten Altbau denkt. Das liegt daran, dass sich das verantwortliche Büro Hild und K (München/Berlin) stark mit Geschichte, Identität und Architektur des Areals auseinandersetzte.
OTEC ist Bauherrin des Projekts, in dem auf 11.000 Quadratmetern Bruttogrundfläche Coworking, Coliving, Gastronomie und Handel stattfinden werden. Die emotionale Bindung von Eckart an den Ort ist groß. Einst stand hier die Schlosserei, in der die Maschinen des Pfanni-Werks gebaut und repariert wurden. Der schlichte Bau war damals ein echter Ort der Innovation, erklärt Volker Goerz vom Büro Hild und K. Denn auf den Produktionsmaschinen basierte der Erfolg des Unternehmens.
Der Bestandsbau der Schlosserei wurde dennoch nicht erhalten. Er sei architektonisch nichts besonderes gewesen, sagt Goerz. Vor allem aber hätte der B-Plan sowieso einen Teilabriss nötig gemacht. Im Neubau bildet sich das Volumen der ehemals so wichtigen Werkstatt jedoch in Form der „Schlosserpassage“ ab. Die doppelgeschossige, halböffentliche Passage mit breiten Falttoren wird zukünftig eine wichtige Verbindung zwischen den gewerblich genutzten Bereichen nordwestlich des Neubaus und den Wohnbauten südöstlich davon bilden. Gastronomie und Läden im Erdgeschossbereich des Hauses sollen dazu beitragen, den Durchgang zu beleben.
In städtebaulicher Hinsicht ist das Werk 1.4 nicht nur ein Scharnier und Durchgang, sondern auch eine Verlängerung der drei Bestandsbauten Werk 1.1 bis Werk 1.3, die von der Werk 1 GmbH bespielt werden. Das Unternehmen bietet zeitgenössisch flexible Büroflächen für Coworking und Startups sowie Coliving und temporäres Wohnen in Form eines Boardinghauses an. Im Werk 1.4 sind es drei Obergeschosse Büronutzungen, über denen wiederum zwei Geschosse mit Wohneinheiten liegen. Auf dem Dach gibt es eine Terrasse für die Nutzer*innen des Hauses. Außerdem wird hier eine Anlage für industrielle Kälte installiert, die unter anderem an die Betreiberin eines Reinraums in der näheren Umgebung verkauft wird.
Bleibt eigentlich nur die Frage, was es mit der etwas eigenwilligen Farbigkeit des Hauses auf sich hat. Diese ist tatsächlich von den Produkten Pfannis und den typisch deutschen Beilagen der Nachkriegsjahrzehnte inspiriert, mit denen man die Firma assoziert. Dementsprechend möchte sich auch die Fassadengestaltung als Reminiszenz an die Architektur dieser Jahre verstanden wissen. Einmal mehr beweisen Hild und K auch bei diesem eher unscheinbar daherkommenden Haus, dass der Rückgriff auf Geschichte und Erinnerung zu überraschenden und originellen Ergebnissen führen kann. Man muss sie nur zu lesen wissen. (gh)
Fotos: Michael Heinrich
Zum Thema:
Im Werksviertel haben Hild und K bereits das Hotel Werk17 realisiert. Weitere Bauten im Werksviertel sind das Werk12 von MVRDV (Rotterdam) und N-V-O (München), das Werk4 von steidle architekten (München) oder der Neubau M8 von Oliv Architekten (München).
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schlawuki | 08.08.2023 11:42 Uhr@solong
ganz deiner meinung.
meinen kommentar haben sie gleich garnicht veröffentlicht.
naja...
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