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11.12.2023

Wildes Wachstum unter Beton

Mixed-Use in Shenzhen von TAO


Mitten in der wachsenden, sich ständig verändernden chinesischen Metropole Shenzhen tauchen hier und dort fragmentarische Reste historischer Städte und Dörfer auf. Darunter finden sich auch die Altstadt von Nantou, die zum Teil aus der Qing-Dynastie im 18. Jahrhundert stammt. Sie ist eine der immer noch sichtbaren Keimzellen, aus denen sich der heutige Ballungsraum Shenzhen-Hongkong entwickelt hat. In dieser Altstadt ist nun ein kleines Stadtumbauprojekt namens Hamlet von Trace Architecture Office (TAO) fertig geworden. Die Architekt*innen versuchen dabei auf originelle Weise, historischen Bestand und aktuelle Stadt zu verknüpfen.

TAO weisen darauf hin, dass die rasante Urbanisierung im 20. Jahrhundert zwar das Aussehen von Nantou stark verändert habe, dass darunter aber das ursprüngliche Mosaikmuster der historischen Parzellen noch immer erkennbar sei. Ihr Projekt behandelt eine solche Parzelle, in deren Kern sich ein Altbau aus der Qing-Dynastie findet. Das winzige Wohnhaus mit typisch geschwungenem Ziegeldach stellte man gemeinsam mit Restaurator*innen und Historiker*innen wieder her. Um den Altbau herum hatten sich fünf Gebäude jüngeren Datums und mit unterschiedlichen Eigentümer*innen versammelt. Diese neuere Bebauung verbarg nicht nur das historische Haus, sondern füllte auch die Parzelle bis auf einen Innenhof vollständig aus. Hier setzt der Entwurf von TAO an.

Es ist ein Umbau, der mit dem gesamten Bestand vorsichtig umgeht. Das historische Wohnhaus wurde mit seinem kleinen Portal bis zur Straße freigestellt und damit sichtbar gemacht. Die Seitenfassaden allerdings konnten nicht restauriert werden, hier entfernte man zwei Gewerbe-Anbauten. Anstelle dieser fügten TAO zwei sehr schmale Ladenräume an, wie sie entlang der ganzen Straße zu finden sind. Links und rechts davon entsteht je eine kleine Fußgängerpassage, die im engen Geflecht der Altstadt willkommene Querverbindungen ermöglichen. Zudem führen sie zu dem jetzt offenen Innenhof, der als zentrale Verbindung der umliegenden Räume dient. Letztere werden nun teilweise öffentlich genutzt, etwa als kleiner Ausstellungsraum zur Stadtgeschichte und -planung sowie als flexibel nutzbarer Gemeinschaftsraum im Altbau.

Über eine schmale Treppe gelangt man vom Innenhof aus auf das Dach der Neubebauung. Hier ist ein öffentlicher, flexibel nutzbarer Raum für Ausstellungen, gemeinsame Abendessen, Feiern der Anwohner*innen oder andere Versammlungen entstanden. Über diese offene Etage stellten TAO ein schroffes Betondach auf 24 hohen Stützen mit einem rechteckigen Loch in der Mitte, das Licht und Regen hineinlässt.

Das Dach wirkt absichtlich roh und unfertig. So solle ein Dialog zwischen den selbstgebauten Häusern der Umgebung und dem historischen Haus unter der hohen Überdachung initiiert werden, sagen die Architekt*innen. TAO erhoffen sich sogar eine kleine, doch monumentale Erhabenheit für das Ensemble. Vielleicht, so schreiben sie, könnte aus dieser Struktur sogar eine neue Ordnung für die Altstadt entstehen: Eine rohe Megastruktur aus Betonstützen und -dächern, zwischen denen wildes Wachstum möglich wäre. Sie betrachten dies als ein „integratives System“, in dem sich „Historisches und Zeitgenössisches, Monumentales und Alltägliches, Privates und Gemeinsames“ in einer neuen Symbiose vereinen könnte.

Warum TAO ihr Projekt ausgerechnet „Hamlet“ nennen – nach dem Prinzen, der seinen Vater rächen wollte und dabei alle Beteiligten, sich selbst eingeschlossen, ins Unglück stürzte – das erklären sie uns leider nicht. (fh)

Fotos: Hao Chen, Li Hua, Rico


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