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https://www.baunetz.de/meldungen/Meldungen-Mitmachaktion_im_Internet_Veranstaltung_in_Berlin_681826.html

09.12.2008

Kein Schloss! Und wenn doch: wofür?

Mitmachaktion im Internet, Veranstaltung in Berlin


Ganz Deutschland ist für die Rekonstruktion des Berliner Stadtschlosses. Ganz Deutschland? Nein, ein kleine Gemeinschaft leistet dem repräsentativen Projekt hartnäckig Widerstand.

Sicher ist kein Architekturprojekt in diesem Land jemals so anhaltend, kontrovers und teilweise giftig in der breiten Öffentlichkeit diskutiert worden wie dieser Wiederaufbau. Die Auswirkungen der Entscheidung des Bundestags für eine undeutlich historisierende Rekonstruktion werden nur langsam deutlich, wenn etwa Rekonstruktionsbefürworter der Frankfurter Altstadthäuser am Römer das Stadtschloss als Argumentationshilfe verwenden. Sicher ist: Diese Rekonstruktion ist keineswegs – wie Minister Tiefensee betont – eine singuläre Entscheidung für die Berliner Stadtmitte, sondern wird mit hoher Wahrscheinlichkeit auf kommende Bautätigkeiten im Land abfärben.

Nun, da die großen Entscheidungen gefallen sind, der Siegerentwurf feststeht und die Verhandlungen über die weitere Ausgestaltung und Überarbeitungen des Projekts zunehmend hinter verschlossenen Türen zwischen Bauherrn, Nutzern und Architekt stattfinden werden, was kann öffentlicher Protest da noch machen? Gesicht zeigen, dachten sich Nina Brodowski und Christoph Wagner und stellten bei der Ausstellungseröffnung mit allen Wettbewerbsarbeiten zur Schlossgestaltung die Internetseite www.kein-schloss-in-meinem-namen.de vor.

Hier kann nun jeder Nutzer ein eigenes Bild hochladen und mit dem eigenen Namen und Gesicht (oder etwas ähnlichem) öffentlich Stellung beziehen. Damit reihen sich die Initiatoren in eine lange Reihe von Protestseiten etwa gegen den Irakkrieg „Not in Our Name“ oder gegen israelische Siedlungen auf palästinensischem Gebiet ein – starker Tobak, wo es doch hier nur gegen ein Gebäude geht? Übles Nachtreten der schlechten Verlierer? Oder vielleicht doch der notwendige lange Atem in einer öffentlichen Diskussion, die nun Gefahr läuft, nicht länger öffentlich stattzufinden?

Alleine aus den Debatten in den BauNetz-Kommentarspalten (114 Kommentare zur BauNetz-Meldung über die Wettbewerbsentscheidung) wissen wir, dass es noch immer einen sehr großen Diskussionsbedarf gibt – und auch die Internetseite kann mit über 50 Porträtfotos von Schlosskritikern (von Bruno Flierl über Jesko Fezer und Philipp Oswalt bis Jörg Joppien und Wolfgang Sabath) bereits einen gewissen Zulauf verbuchen.

Und offene Fragen gibt es ja noch genug: Was wird mit den vorhandenen, wirklich historischen Schlossfundamenten geschehen? Wie werden die Fassaden finanziert und welche Rolle wird der Förderverein Berliner Stadtschloss dabei spielen? Und wie kann das Gebäude sinnvoll genutzt werden?

Um über die Fragen der kommenden Nutzung zu debattieren, lädt die Initiative Humboldt-Forum heute abend, 9. Dezember, zu ihrer dritten Veranstaltung ins Pergamon-Museum. Im Gegensatz zu den zwei vorhergehenden Gesprächsrunden kann sich die Debatte nun auf die vorliegenden Pläne von Francesco Stella beziehen und wir sind gespannt, was der Ethnologe Mamadou Diawara und der Kunsthistoriker Hans Belting, die im Programm als „Pioniere des Humboldt-Forums“ beschrieben werden, zu den Architektenplänen sagen werden. Wie können die ethnologischen Sammlungen der Stiftung Preußischer Kulturbesitz und die Berliner Landesbibliothek die geplanten Räume nutzen? Zu wünschen bleibt, dass dieses Projekt auch in Zukunft von einer öffentlichen Debatte mit hohem Niveau begleitet wird. Denn wenn es schon ein Schloss sein muss, dann nur eines, das aus einem jederzeit transparenten, demokratischen Prozess entstanden und einer aktiven Nutzung zuzuordnen ist.

- Florian Heilmeyer



Veranstaltung: „Was erwartet die Welt vom Humboldt-Forum in Berlin?“


Termin: Dienstag, 9. Dezember 2008, 20 Uhr
Ort: Pergamon-Museum, Altarsaal, Am Kupfergraben, 10178 Berlin-Mitte


Zum Thema:

www.kein-schloss-in-meinem-namen.de
www.initiative-humboldt-forum.eu


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