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23.04.2018
Hortus Conclusus in Ludwigsburg
Minihaus auf einer Verkehrsinsel von Atelier Kaiser Shen
Wenn das Thema Nachverdichtung hoch oben auf der Agenda steht, ist auch das minimale Wohnen aktuell – das zeigte kürzlich das Beispiel eines superschlanken Wohnturms im niederländischen Almere von Ana Rocha. In Ludwigsburg schlägt Atelier Kaiser Shen nun eine andere Variante des Minihauses vor. Dabei begegnet das junge Stuttgarter Büro der wohl größten Herausforderung dieser Bauaufgabe – nämlich die Verbindung von äußerst reduziertem Raum mit komfortablem Wohnen – mit dem Griff zu einem hierzulande ungewöhnlichen Typus: dem Hofhaus.
Florian Kaiser, Guobin Shen und Hans-Christian Bäcker orientierten sich bei ihrem Entwurf an traditionellen Hofhäusern aus Nordafrika und China. Diese historischen Wohnhaustypen um einen geschlossenen Hof sind nach außen konsequent abgeriegelt und lassen innen besonders viel Privatheit zu, selbst an besonders belebten Standorten. In Ludwigsburg wählen die Architekten einen wirklich ungemütlichen Ort mitten auf einem Grünstreifen, rechts und links von einer vielbefahrenen Hauptstraße umgeben. Den kleinen, mit schwarzem Wellblech verkleideten Quader schließen sie nach außen nahezu hermetisch ab, nur ein quadratisches Fenster und eine Wandöffnung zeigen noch, dass sich hinter den schwarzen Wänden der ganze Mikrokosmos eines Wohnhauses ausbreitet.
Über eine schmale Wandöffnung und einen spiralförmigen Zugang gelangt man in den 35 Quadratmeter großen Garten. Ein Birnbaum, ein Brunnen und Rasen vermitteln hier nicht nur ein schon altertümliches Bild des geschlossenen Gartens, sondern dienen auch der Lärmdämmung an einem belebten Ort. Große raumhohe Fenster und Glastüren leiten zum Innenraum des Wohnhauses über. Der umfasst minimale 7,3 Quadratmeter. Atelier Kaiser Shen hat das Bad, Schränke oder die Küche mit Einbauten entlang der Rückwand der Wohnung angebracht, insgesamt nur 85 Zentimeter tief. Aus der Rückwand können ein Esstisch geklappt und ein Bett gefaltet werden. Richtung Innenhof bleibt schließlich eine – relativ – großzügige Fläche frei, die sich optisch in den Garten erweitert. Das Gebäude konstruierten die Architekten in Holzrahmenbauweise, der Innenraum ist gänzlich mit Fichtenholz ausgekleidet.
Mit ihrem ungewöhnlichen Hofhaus, das mit seiner schwarzen Wellblechverkleidung nicht ganz erkennbar nach Ingenieurscontainer oder Kunstinstallation ausschaut, gewannen Atelier Kaiser Shen 2017 Jahr einen Wettbewerb der Stadt Ludwigsburg. Bauherrin dieses urbanen Experiments sind die Stadt selbst und das Ludwigsburg Museum, die mit dieser temporären Installation neue Möglichkeiten der Nachverdichtung auch an schwierigen Grundstücken erproben wollen. Der Vorschlag von Atelier Kaiser Shen lässt sich praktisch zwar nur an Nischenflächen umsetzen, doch ruft er für die Allgemeinheit eine alte, aber wichtige Erkenntnis wach: Mit viel eigener Außenfläche nämlich, wie einem Balkon oder Garten, kann angenehmer Wohnraum geschaffen werden, so klein er auch sein mag. (sj)
Fotos: Nicolai Rapp
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