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https://www.baunetz.de/meldungen/Meldungen-Militaermuseum_in_Dresden_von_Libeskind_eroeffnet_2339853.html

13.10.2011

Die Geste bleibt Gag

Militärmuseum in Dresden von Libeskind eröffnet


Schon die Geschichte dieses Gebäudes wäre Gegenstand für ein ganzes Museum: Das Haus, das am Samstag nach einem Umbau durch Daniel Libeskind als „Militärhistorisches Museum der Bundeswehr“ eröffnet wird, wurde 1877 als Arsenalgebäude für die Sächsische Armee errichtet. Bereits seit 1897 wird der Bau teilweise, später gänzlich zum Armeemuseum; ab 1940 zum „Heeresmuseum“ der Wehrmacht und nach 1957 zum „Armeemuseum der DDR“. 1990 erfolgte die Übernahme durch die Bundeswehr, die es 1994 zu ihrem zentralen Museum machte. Jetzt ist es nach dem Umbau das zweitgrößte Militärmuseum Deutschlands – nur das Luftwaffenmuseum in Berlin ist größer.

Wie jeder Libeskind-Bau ist auch dieser zunächst ein Schock. Die Albertstadt ist als Militärstadt ganz auf Symmetrie und Axialität angelegt. Biegt man jetzt von der Stauffenbergallee in die Hans-Oster-Straße, dann läuft man mittig auf den säulenbestandenen Eingang des klassizistischen Altbaus zu. Aber links ragt zwischen den Risaliten dieser fünf Stockwerke hohe Metallkeil heraus, betont asymmetrisch, schiefwinklig, metallisch – wie ein Projektil oder besser noch: ein Schiffsbug, der ins Gebäude gedrückt wurde und dort stecken blieb. Vielleicht gibt das Büro Libeskind deswegen so gerne das Gewicht der Stahlkonstruktion an: Ein 140-Tonner ist also in den Altbau gekracht und soll das Thema des Museums in einer gewaltigen und gewalttätigen architektonischen Geste ausdrücken: Ein Symbol der geordneten Gewalt, die der Krieg  darstellt (siehe BauNetz-Meldung zum Richtfest 2008). Dieser Neubau ist kein Anbau – er hat dem Altbau den Krieg erklärt.

Man kann den Impetus dieser dramatischen Geste gut verstehen, auch in ihrer Wucht und Größe. Oder hätte das neue deutsche „Militärmuseum“ der Bundeswehr hinter einer heilen, sanierten, sozusagen auf Hochglanz polierten Fassade des guten alten Klassizismus versteckt sein sollen? Nein, sagt Libeskind, und er ist sicher kein Architekt, der mit subtilen Glasuren arbeitet. Er trägt dick auf und dieser Entwurf treibt das Plakative ins Extreme. Dabei funktioniert er aus der Ferne und aus der Luft, wo die Keilform besonders deutlich wird, großartig; ja, es gibt atemberaubende Momente.

Umso enttäuschender ist jedoch der Weg ins Gebäude. Beim Näherkommen öffnet sich der Blick durch die Metall-Lamellen, doch liegt dahinter keine Verwüstung, keine Zerstörung, keine Durchdringung. Hinter dem Metall liegt einfach die heile Altbaufassade, als wäre nichts geschehen. Nicht einmal die Fensterlöcher sind leer, nein, aus Denkmalschutzgründen wurde der Stahlkeil vorsichtig vorgehängt. Der Keil könnte – theoretisch – schadlos wieder entfernt werden. So bleibt die architektonische Geste ein Gag, wenn auch ein tonnenschwerer. Die recht groben Details schmälern die Attraktivität der Nahwirkung zusätzlich: An die wuchtige Stahlkonstruktion wurden schlichte Aluminium-Stege geschraubt, wie man sie als Trittgitter von Baugerüsten kennt.

Im Inneren des Gebäudes hingegen ist die Durchdringung von Alt und Neu „echt“, hier wurden Wandstücke und Stützen herausgeschnitten, die geneigten Wände und die stütztenfreien Räume des Keils brechen Öffnungen in die eng mit Pfeilern bestückten Gewölbe des Altbaus. Der Parcours durchs Museum gewinnt so an räumlicher Spannung, die Räume des Keils dienen auch als inhaltliche Zäsuren. Gleichzeitig entstehen allerdings, besonders in den hinteren Enden des Keils, seltsame Sackgassen, die in den „vertikalen Vitrinen“ enden – das sind Lufträume, die vertikal durch den Neubau schneiden, ähnlich wie die „Voids“ im Jüdischen Museum Berlin, hier allerdings als Vitrinen genutzt, um zum Beispiel eine originale V2-Rakete, eine Raumkapsel oder einen Bundeswehr-Helikopter ausstellen zu können.

Es ist ein großes Glück für dieses Museum, dass sich innen eine räumlich und inhaltlich äußerst geschickt konzipierte Ausstellung offenbart, die von den beiden Büros HG Merz und Holzer Kobler in Arbeitsgemeinschaft erarbeitet wurde. Es ist diese Ausstellung, die zum Glück nicht die aufdringliche Dramatik der Architektur fortsetzt. Denn während man die schrägen Räume, die einen wieder, wieder und wieder auf die Schrecklichkeit des Krieges hinweisen sollen, bald schon nicht mehr sehen kann, da ergänzt die Ausstellung die dringend nötigen, subtileren Töne.

Mehr zur Ausstellung, die am Freitag mit großem Staatsakt eröffnet und von Samstag an öffentlich zugänglich sein wird, folgt hier am kommenden Montag. (Florian Heilmeyer)


Zum Thema:

Fotos des Neubaus: Bitter Bredt Fotografie


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Zu den Baunetz Architekt*innen:

hg merz
Holzer Kobler Architekturen


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