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09.08.2018

Buchtipp: Ungebautes Meisterwerk

Mies in London


Von den meisten Büchern erfährt man erst, wenn sie fertig sind – oder eben gar nicht. Wie viel Arbeit und Nerven in einem Projekt stecken, weiß meist nur ein kleiner Kreis. Anders verhält es sich bei der Entstehung des Bildbandes Mies in London, das im Februar 2017 als erfolgreiches Kickstarterprojekt in die Produktion ging. Das Versprechen des britischen Architekten, Kurators und Autors Jack Self: Ein Buch über ein bislang wenig bekanntes Planungsprojekt von Mies van der Rohe für London, vorveranschlagtes Erscheinungsdatum März 2017. Bis zum tatsächlichen Erscheinen im April 2018 folgten ausführliche E-Mail-Updates, die Blut, Schweiß und Tränen erahnen ließen: Privatarchive mit bisher ungesehenem Material tauchten auf, und Rechtefragen erwiesen sich als komplizierter als gedacht. Von drei Jahren Forschung, 580 Stunden Restaurierung von Fotos und Zeichnungen, vier Überarbeitungen, sechs Korrekturrunden und elf Anpassungen in Format, Papierauswahl und Drucktechnik erfuhr man über diesen Kanal.

Der Anspruch an den edel gestalteten Band war kein geringer, reiht er sich doch mit seinem Titel in die Standardwerke der New Yorker Doppelretrospektive von Whitney und MoMa Mies in Berlin und Mies in America ein. Und doch setzt sich Mies in London deutlich ab, will die Standards von Architekturvermittlung im Buch revolutionieren. Das Material – 160 Seiten Pläne, Fotos, Arbeits- wie Präsentationsmodelle und Machbarkeitsstudien zur einzigen Planung van der Rohes für Großbritannien – wird kaum von Text unterbrochen. Lediglich Verweise dokumentieren Herkunft und Historie. Das Projekt wird fühlbar, und das nicht nur für jene, die mit Architekturdarstellung vertraut sind. Darüber hinaus schafft die Dokumentation eines einzelnen Projektes etwas, was große Kataloge vermissen lassen: Eine Neuentdeckung im Werk eines der bekanntesten Architekten überhaupt, geplant für eine Stadt, die bisher gar nicht wusste, dass sie fast einen Mies gehabt hätte.

Diese Stadt hat es dann auch komplett selbst zu verantworten, dass sie eben kein Bronzehochhaus mit Plaza vorweisen kann. Die Realisierung des Mansion House Square im Herzen Londons scheiterte aus vielerlei Gründen. Und spätestens unter Thatcher war auch an keine posthume Realisierung des Hauses mehr zu denken. Der Wind hatte sich gegen die Moderne gedreht, Prince Charles war not amused, und die Regierung hatte schlichtweg Angst. Beauftragt hatte den Turm Lord Peter Palumbo, unter anderem Käufer des Farnsworth House und bis zum Zerwürfnis über das beschriebene Projekt auch Polopartner von Prince Charles. Er forderte von Mies einen Entwurf in allen Details:
“I want you to go all the way,” Palumbo said. “I want the lot, inside and out. I want door handles, ashtrays, lettershoots.”
“Very well,” Mies replied, “I'll do it.”

Auch Jack Self, der das Buch über seine REAL foundation verlegt und vertreibt, und die Designer OK-RM sind den ganzen Weg gegangen: Entstanden ist ein Werk aus schwerem Papier, meisterlich (Amber-)bedruckt mit bronzener und vor allem schwarzer Tinte. Noch erwerben kann man das Buch als Hard- und Softcovervariante. Die zusätzlich nach Originalplänen produzierten Fetisch-Gimmicks, eben jene geforderten Türklinken und Aschenbecher aus Bronze respektive Travertin, sind schon vergriffen – auf Mies ist eben Verlass.

Text: Franziska Stein

Mies in London
Jack Self mit Yulia Rudenko (Hg.)

REAL, London, 2018
160 Seiten

ISBN 978-0-9935474-7-8
£70
(Hardcover)

ISBN 978-0-9935474-7-8
£50 (Softcover)


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