Auf dem Dach einer ehemaligen Industriehalle in Chemnitz lässt es sich seit vergangenem Jahr zwischen Felsenbirne, Schnurbaum, Kiefer und Zierkirsche rund um die Uhr ausruhen. Zumindest gilt dies für die Nutzer*innen des Areals Wirkbau, das derzeit von der Textilmaschinenfabrik zum Kreativstandort entwickelt wird. Der 1.500 Quadratmeter große Garten ist für Veranstaltungen aller Art nutzbar. Geplant hat ihn das Berliner Büro Meyer-Grohbrügge gemeinsam mit Gehrhardt Landschaft, die direkt vor Ort sitzen.
Aus den abwechselnden Blütezeiten und unterschiedlichen Färbungen der Bäume entstehen auf dem Dach verschiedene Landschaftssituationen. Die symmetrische Anordnung der blühenden Erdhügel ist natürlich kein Zufall. Die Planung des Dachgartens will das darunter liegende Säulenraster nachzeichnen. Denn es liegt an der Konstruktion des Bestandsbaus, dass derart große Bäume überhaupt zum Einsatz kommen konnten.
Die Halle unter dem Garten diente zu Fabrikzeiten der Metallverarbeitung. Das im Zweiten Weltkrieg zerstörte Obergeschoss wurde jedoch nicht wiederaufgebaut, und so konnten die Lastreserven für den Dachgarten genutzt werden. Dafür wählte die Landschaftsarchitektin Uta Gerhardt alle Bäume in einer norddeutschen Baumschule einzeln aus. Gemeinsam referenzieren sie die Vielfalt im benachbarten Kapellenberg Wald. Auf einem Nachbargebäude haben Gerhardt Landschaft außerdem ein Biodiversitätsdach realisiert, das zum Lebensraum für Insekten und Vögel werden soll.
Bis Anfang der 1990er Jahre war in den Fabrikbauten etwa 100 Jahre lang produziert worden. 2016 kaufte MIB, die bereits das Leipziger Spinnereigelände entwickelt hat, das Areal von TLG Immobilien und setzte damit den Startschuss für dessen Weiterentwicklung zum Kultur- und Kreativstandort. Es besteht aus neun Bauten und umfasst eine Fläche von 35.000 Quadratmeter. Zu den Mietern im Wirkbau gehört seit kurzem auch der weit über Chemnitz hinaus bekannte Club Atomino.
Das Berliner Büro Meyer-Grohbrügge ist seit 2017 an der Entwicklung des Areals beteiligt und begleitet die Bauherren auf mehreren Planungsebenen. 2019 etwa gestalteten sie die Halle G unterhalb des Dachgartens, die mit einer Deckenhöhe von über fünf Meter und 1.600 Quadratmeter Fläche für Ausstellungen und Kulturveranstaltungen genutzt wird. Im gegenüberliegenden Bauteil gestalteten sie eine Fabriketage für das Kommunikationsunternehmens Staffbase mit unterschiedlichen Szenerien: von überdimensionierten Sitzstufen einer Sporthalle bis zur filmreifen Konferenzsituationen. (sla)
Fotos: Johannes Richter, Louisa Schwope, Ernesto Uhlmann (Dachgarten); Walther Le Kon (Halle G); Thomas Meyer – Ostkreuz (Staffbase)
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