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05.12.2024

Asymmetrisch ergänzt

Mehrzweckhalle in Oberschwaben von Atelier Kaiser Shen


Im kleinen, oberschwäbischen Ingerkingen haben Atelier Kaiser Shen (Stuttgart) eine alte Mehrzweckhalle umgebaut, oder besser gesagt, geflickt. Das Büro erhielt einen Großteil des Bestands und ergänzte ihn mit einem passgenauen Tragwerk aus Holz.

Ingerkingen liegt knapp 40 Kilometer südlich von Ulm. Zusammen mit der benachbarten Schule, einem Musikerheim und der Feuerwache bildet die 1964 errichtete Mehrzweckhalle den Kern des Dorflebens. Über die Jahre war sie allerdings nicht nur immer wieder umgebaut worden, sondern bedurfte auch einer Sanierung. Im Wettbewerb 2020 ließ es die Gemeinde offen, ob die Halle erhalten oder abgerissen werden sollte. Durchsetzen konnte sich der Vorschlag von Kaiser Shen.

Die Architekt*innen schreiben, sie hätten sich bei ihrem Entwurf vom Bild einer zerbrochenen und wieder zusammengesetzten, chinesischen Porzellanschüssel leiten lassen. Diese Objekte würden im geflickten Zustand eine ganz eigene Poesie entfalten. Die Mehrzweckhalle habe sich auch ohne „herausragenden künstlerischen Wert“ als „hervorragender Dialogpartner“ gezeigt, der sich einfach und noch weitgehend funktionstüchtig in das neue Konzept einbinden ließ.

Fundamente, Bodenplatte, Decken und die massiven Wände im nördlichen Teil sowie der Bühnentrakt zur Straße blieben fast vollständig erhalten. Und weil die Hallenlänge zufällig den aktuellen DIN-Anforderungen entsprach, musste lediglich die Südfassade abgerissen und versetzt werden. Insgesamt blieben etwa 60 Prozent des Bestands erhalten.

Dafür brauchte es allerdings ein innovatives Tragwerk. Im alten Achsraster stehen nun einhüftige Zweigelenkrahmen aus Brettschichtholz, die 60 Prozent ihrer Lasten an die neuen Fundamente im Süden und nur 40 Prozent auf den Bestand im Norden lenken. Die Form der Rahmen ist materialoptimiert. Sie weiten sich zur biegesteifen Ecke und die geschwungene Form der Binder zeichnet den Momentenverlauf nach. Eine Auskragung des Daches im Süden erzeugt einen einigermaßen wettergeschützten Vorbereich für die Halle – der im Sommer sicher ausgiebig genutzt werden wird.

Die Fassaden von Bestand und Neubau haben Kaiser Shen sichtbar unterschiedlich behandelt. Besonders auf der Westseite zeichnet sich das neu gedämmte und verputzte Mauerwerk des Bestands deutlich gegen die hinterlüftete Holzfassade ab. Der Versatz von rund zwölf Zentimetern zwischen dem dünneren Holzrahmenbau und dem alten Mauerwerk „schärft die Plastizität des Bauwerks zusätzlich“, so Kaiser Shen. Neben der erhaltenen Grauen Energie und dem Erinnerungswert des Gebäudes sei die Sanierung im Vergleich zu einem Ersatzneubau auch günstiger gewesen. (fh)

Fotos: Brigida González


Zum Thema:

Büro-Mitgründer Guobin Shen ist im Mai 2024 nach einem Unfall im Alter von nur 40 Jahren gestorben.


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